„Das nächste Album wird immer ein Überraschungsei sein!“

Jennifer, Frontfrau von Beyond the Black, über Schubladendenken, Frauen im Metal, Covid – und notwendige Motivation abseits der Bühne.

Florian Dünser

FLORIAN DÜNSER

12. Dez. 2020

Interview
Beyond the Black
Jennifer Haben
Image

Jennifer, herzlichen Dank für deine Zeit. Hand aufs Herz: Welche Assoziationen gingen dir als erstes durch den Kopf, als da jemand von einem neuen Web-Portal namens Dark Divas für ein Interview bei dir angeklopft hat?

Jennifer: Da ich jemand bin, der nur schwarz trägt und Metal macht: Das passt. (lacht)

Eine Diva, in der gebräuchlichen Verwendung des Wortes, ist eine gefeierte Sängerin, eine Künstlerin mit großem Talent. Gefeiert wirst du in der Szene derzeit wie kaum eine andere Metal-Künstlerin. Was denkst du ist das Erfolgsrezept Jennifer Haben und Beyond the Black?

Jennifer: Dass wir nicht in Schubladen denken. Wir erlauben uns, das zu tun, worauf wir gerade Bock haben. Wir wollen ja nicht in festgelegten Rollen verharren. Das ist etwas, das für mich als Person sehr wichtig ist – aber generell glaube ich, dass man sich diese Freiheit als Musikerin auch nehmen muss. Und generell das Wichtigste ist, Spaß zu haben. Gerade in Zeiten wie diesen.

Ist dieses Schubladendenken denn nach wie vor etwas, mit dem ihr regelmäßig konfrontiert werdet?

Jennifer: Natürlich. Wir haben uns mit dem letzten Album musikalisch doch stark verändert – zumindest für die Sparte, in der wir uns bewegen. Da wird man natürlich auch mit negativen Stimmen konfrontiert. Aber das ist okay. Denn die Alternative wäre, immer wieder dasselbe Album zu schreiben. Wir wollten mit Horizons daher auch zeigen: Hey, ihr könnt nicht immer wissen, was wir als nächstes raushauen. Wir hoffen, dass die Leute offen dafür sind und das auch mittragen. Denn für uns ist klar: Das nächste Album wird immer ein Überraschungsei sein.

Das passt auch wunderbar ins Bild. Du wirkst sehr authentisch und ungekünstelt. Das ist in der Musik-Branche, die ein großes Stück weit auch von Inszenierung lebt, eher die Ausnahme. Wie behältst du in diesem harten Business deine Natürlichkeit?

Jennifer: Du musst ganz klar wissen, wo du hingehörst. Ich habe eine sehr bodenständige Familie. Wir sehen uns regelmäßig – das ist mir enorm wichtig und das tut mir vor allem auch richtig gut. Man merkt nämlich tatsächlich, dass man sich ein wenig verändert, wenn man länger auf Tour ist. Und dann ist es wichtig, dass man auf den Boden zurückgeholt wird. Es gibt so viele Situationen, in denen du in etwas Neues reingeworfen wirst – da ist es schon verständlich, wenn man hie und da mal eine Schutzmauer aufbaut. Aber wenn man diese immer wieder durchbricht, hilft es dabei, authentisch zu bleiben.

Erdet ihr euch da auch gegenseitig innerhalb der Band?

Jennifer: Auf jeden Fall. Wir achten stark darauf, dass wir nicht nur über Dinge plaudern, die die Band betreffen. Wir sind alles Kumpels, die Jungs sind wie eine zweite Familie für mich. Daher sind wir auch gefühlt immer auf Klassenfahrt, wenn wir auf Tour sind. Wir sind professionell, wenn wir auf die Bühne gehen. Aber der Spaß darf nicht zu kurz kommen.

Was rätst du jungen aufstrebenden Frauen, die Bock darauf haben, Metal zu machen?

Jennifer: Macht, was euer Herz verlangt – und scheisst auf alle drumherum, die daran zweifeln. Weil das wird vorkommen. Das kam bei uns vor, und das kam bei anderen vor. Am Ende geht’s aber vor allem darum, zu überzeugen. In erinnere mich an spezielle Festivals, bei denen es nur Geballer gibt. (lacht) Da ist es als Band mit Frontfrau superschwierig reinzukommen – vor allem dann, wenn du nicht nur rumgrölst. (lacht) Und trotzdem werden die Leute merken, dass da jede Menge Energie auf der Bühne ist. Da muss man dann halt dranbleiben, überzeugen – und zeigen: da steckt wirklich Power dahinter.

Die Causa rund um die Booking-Legende John Finberg macht derweil ja nicht gerade Lust auf eine Karriere im Metal. Wie hart ist es für Frauen, in diesem männerdominierten Zirkus zurecht zu kommen?

Jennifer: Ich habe solche Erfahrungen Gott sei dank nicht machen müssen – glaube auch nicht, dass es die Regel ist. Aber es ist enorm wichtig, dass man die richtigen Leute um sich hat. Wenn man feststellt, dass da jemand dabei ist, der sich schräg verhält: meiden! Nur so kann man diese Leute auch wirklich aus der Branche rausdrängen – ignorieren, überhaupt nicht erst auf sie eingehen.

Du erkennst ein tolles Team daran, dass sie an deine Musik glauben. Unabhängig vom Geschlecht – oder der Art, wie du dich kleidest. Die Musik muss immer im Vordergrund stehen. Da war ich immer sehr konsequent. Und das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich keine negativen Erfahrungen machen musste.

Gibt es denn wirklich diese klischeehaften Typen, die dir als Musikerin den Himmel auf Erden versprechen?

Jennifer: Ich kann das ehrlich gesagt wirklich schwer beurteilen, ich hatte mit solchen Männern nie zu tun. Klar gibt es hie und da echt komische Typen. Aber da musst du halt ganz klar eine Grenze ziehen. Das kann sonst ganz schnell in eine falsche Richtung gehen.

Themenwechsel: In einer Skala von 1 bis 10 – wie scheisse ist es, mit einem neuen Album Pandemie-bedingt nicht auf Tour gehen zu können?

Jennifer: Gibt’s da noch eine Steigerungsmöglichkeit? (lacht) Nein, ernsthaft – das ist echt beschissen. Wir hatten jetzt so ein paar Aktionen, etwa das Wacken World Wide oder auch die Autokino-Shows zum Release. Die waren superwichtig. Ich hatte bei den Autokino-Shows zuerst Bedenken, ob das nicht total komisch wird. Zu dem Zeitpunkt war die Covid-Situation aber so, dass die Leute auch vor den Autos stehen konnten. Du konntest also die Reaktionen der Fans im Gesicht sehen. Ich bin da zwischen den Autos entlang gegangen, sah die Freude bei den Fans – und die Shows waren daher unfassbar geil für mich. Das fehlt jetzt umso mehr.

Wie hältst du in dieser v.a. auch für Künstler so schweren Zeit durch, was gibt dir Mut und Kraft?

Jennifer: Kraft gibt mir tatsächlich mein Umfeld, meine Familie, meine Jungs. Wir pushen uns immer wieder mit positiven Vibes. Ich kann tatsächlich in dieser Zeit auch sehr viel an mir arbeiten. Das habe ich eh immer schon getan – aber jetzt komme ich sehr viel schneller voran. Ich habe eine Routine entwickelt. Und das ist durchaus ein positiver Aspekt der aktuellen Situation, auch wenn sich die fehlenden Live-Auftritte dadurch nicht kompensieren lassen.

Ihr seid ja nicht nur musikalisch kreative Köpfe – ihr haltet eure Fans mittels Social Media auch mit jeder Menge kreativen Ideen bei Laune. Der BTB-Podcast, „Hinter die Kulissen“-Einblicke, das Adventsingen mit Wacken. Was motiviert euch, euch auch abseits der Musik ständig neu zu erfinden?

Jennifer: Das Social Media Team besteht aus Chris, Kai und mir. Wir telefonieren jede Woche miteinander und machen uns Gedanken, was wir in der darauffolgenden Woche raushauen können. Der wichtigste Punkt ist dabei immer: Was können wir für die Fans machen, was ruft Emotionen hervor. Sowohl außen, als auch bei uns. Es macht einfach mehr Spaß, sich irgendwelche Specials zu überlegen – etwa die Golden Pariahs Fan-Edition –, als einfach nur irgendwelche Postings rauszuhauen, nur damit überhaupt was passiert. Ein anderes Beispiel ist der Wacken Acoustic Clash. Ich bin da ganz ehrlich: Das ist im Endeffekt einfach geil für uns selber. (lacht)

Das wird mit Sicherheit auch die Co-Headliner-Tour mit Amaranthe. Wie kam die Konstellation denn zustande?

Jennifer: Ich fand Amaranthe ja immer schon geil. Ich hör die etwa beim Sport ganz oft – und ich finde, Elize singt auch unfassbar gut. Die Jungs natürlich auch, aber ich bin halt eher Fan von weiblichen Stimmen. Wir hatten ein paar Shows in Finnland zusammen. Da kam dann die Idee, dass es geil wäre, zusammen auf Tour zu gehen. Da entstand auch die Idee für den gemeinsamen Song.

Apropos Wounded Healer – Elize und du: Ihr harmoniert gut miteinander?

Jennifer: Ja, definitiv. Was ich total lustig fand, ist, dass sie so unfassbar chaotisch ist. (lacht) Das erste Mal, als wir in Finnland waren, kam sie um 13 Uhr rein, gerade erst aufgestanden und meinte nur: „Oh, ich bin so müde“ – und ich fand das so geil, weil das bei mir genau das gleiche ist. Ich penne auf Tour auch immer ewig lange. Auch wegen der Stimme. Sobald du nämlich wach bist, fängst du an zu reden – und wenn du am Vorabend gesungen hast, dann solltest du das so lange wie möglich vermeiden. Alleine deswegen macht es natürlich Sinn, länger zu schlafen. Vielleicht ist das aber auch nur eine Ausrede. (lacht)

Du erfüllst gerade das klassische Musiker-Klischee und untermauerst es mit professionellen Argumenten – nicht schlecht.

Jennifer: Das war der Plan! (lacht)

Wenn man ein wenig in die Metal-Szene reinblickt, hat man sowieso das Gefühl, dass sich da alle recht gut verstehen. Gibt es trotzdem Bands oder Musiker, mit denen du gar nicht kannst?

Jennifer: Wir haben, was Support Shows angeht, sehr gute und auch schlechte Erfahrungen gemacht. Das relativiert sich zwar ein wenig, wenn man Geschichten von anderen Bands hört. Aber man hat sich hie und da durchaus mal gedacht: Hey, was ist denn jetzt bitteschön los? Warum bekommen wir kein Abendessen – oder warum werden wir nicht zur Abschlussparty eingeladen?

Da gibt’s dann also Bands, die den Headliner-Status raushängen lassen?

Jennifer: Ja. Wir hatten da eine konkrete Erfahrung in diese Richtung. Ansonsten eigentlich wirklich nur gute, sogar überschwänglich gute. So sind wir aber auch selber. Wir haben die ersten Support-Touren so positiv erlebt, dass wir uns auch selber geschworen haben: Wir werden jene Bands, die mit uns zusammen touren und unser Support sind, immer sehr gut behandeln. Für uns war zu Beginn extrem wichtig zu merken: Hey, wir gehören da jetzt dazu. Und das wollen wir auch weitergeben.

Letzte Frage: Weihnachten im Hause Haben – traditionell oder modern?

Jennifer: Traditionell! Ich liebe es total. Ich werde zu meiner Family fahren – scheint ja auch noch erlaubt zu sein. Ich habe das meiner Mom beim Auszug auch versprochen, dass ich jedes Weihnachten zu Hause verbringe_. (lacht)_ So richtig mit Weihnachtsbaum, einem gemeinsamen Song vor dem Geschenke auspacken und einem großen Mahl. Traditionell also – und das finde ich auch superwichtig.

Bleibe mit unserem Newsletter auf dem Laufenden

Folge uns auf Instagram