„Die Leute werden dich vergleichen und kritisieren – aber das ist part of the game"

Diana Leah im Interview über ihren Start bei Delain, Musik als Therapieform und ihre Liebe zu Paramore.

Elena von Dark Divas

ELENA VON DARK DIVAS

23. Feb. 2023

Interview
Delain
Diana Leah
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Ihr habt vergangenes Jahr in neuer Konstellation zusammengefunden. Du hast erzählt, Martijn (_Westerholt, Delain-Gründer, Keyboarder und Songwrite_r) sei dank eines Instagram-Kommentars auf dich aufmerksam geworden. Was war das für ein Gefühl, als du seine Nachricht in deinem Posteingang gesehen hast?

Diana Leah: Ich war auf Urlaub in Italien, ging eine Runde spazieren und checkte mein Instagram. Dann sah ich plötzlich seine Nachricht in meinem Posteingang. Im ersten Moment musste ich mich vergewissern, dass es kein Fake-Account war – von denen gibt es heutzutage ja genügend. Und als ich feststellte, dass es tatsächlich er war, fühlte es sich total surreal an! Ich so: 'Waaaas? Passiert das gerade wirklich?!' Martijn erzählte mir dann, dass er meinen YouTube-Kanal entdeckt hatte – und ich bereits auf seiner Liste an Sängerinnen, die er kontaktieren wollte, stand.

16 Jahre lang stand Charlotte Wessels an vorderster Stelle bei Delain. Als Anfang 2021 das Aus der Band verkündet wurde, war das für viele Fans ein Schock. Einige meinten sogar, dass sie Delain nach Charlottes Austritt für immer den Rücken kehren werden. Wie fühlst du dich dabei, ihre Nachfolgerin zu sein?

Diana: Es ist nie einfach, wenn eine Band ihre Sängerin wechselt. Aber du weißt immerhin schon, was auf dich zukommt: Die Leute werden dich vergleichen, kritisieren und negative Kommentare auf den sozialen Medien hinterlassen. Aber das ist halt part of the game. Die Leute erwarten viel von einem. Was ich mache, um meine mentale Gesundheit zu wahren, ist, dass ich mich von Social Media distanziere. Und mich konstant daran erinnere, wer ich bin. Was die Hater über mich sagen, ist keine Reflexion meiner Selbst. Ich weiß, wer ich bin, was ich tue und warum ich es tue. Die Leute kennen lediglich eine Version von mir. Sie kennen mich ja nicht persönlich. Deshalb versuche ich, es mir nicht so zu Herzen zu nehmen, wenn die Leute mich angreifen oder vergleichen. Sonst geht einem das zu nah und man fängt an, an sich selbst zu zweifeln.

Mit der Ausnahme von Martijn ist Delain eine komplett neue Formation. Wie lange habt ihr gebraucht, um miteinander zu harmonieren?

Diana: Als ich noch im Audition-Prozess war, flog ich bereits in die Niederlande. Martijn lud mich ein und fragte mich, ob ich bereit dazu wäre, ihn zu treffen. Natürlich stimmte ich sofort zu. Ich, Martijn, Ronald (Gitarre) und Sander (Schlagzeug) spielten dann bei Sander Zuhause einige Acoustic-Songs, aßen gemeinsam zu Abend und redeten viel. Einfach um zu schauen, ob wir auch auf menschlicher Ebene miteinander klar kommen. Sich zu verstehen ist schließlich das wichtigste, noch vor der musikalischen Harmonie. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge! Ich war außerdem sehr überrascht, wie bodenständig alle sind, da ich ja nicht wusste, was auf mich zukommt. Sie sind alle so cool und es ist ein leichtes, mit ihnen zu arbeiten. Ludo (Bass) kam erst einen Monat später dazu aber auch mit ihm war es von Anfang an einfach. Wir sind wie eine große Familie. Das ist selten.

Also könnte man sagen, ihr seid nicht nur Bandkollegen, sondern auch gute Freunde.

Diana: Ja! Auch die Crew, die hinter den Kulissen arbeitet, gehört dazu. Die sind alle unfassbar lustig, wir lachen sehr viel. Jedes mal wenn ich in die Niederlande fliege, denke ich mir, ich brauche eine Gesichtsmassage, weil mein Gesicht schon weh tut vor lauter Lachen. (lacht) Dafür bin ich extrem dankbar.

Ihr habt gut zueinander gefunden, jetzt seid ihr mit eurem neuen Album "Dark Waters" am Start. Der Titel  erinnert einen sofort an die kalte, harte See. Auch als ich durch das Album durchhören durfte, stellte ich fest: Viele Songs sind eher dunkel und schwer, was ich persönlich sehr mag. Welches Gefühl möchtet ihr euren Fans mit der neuen Platte vermitteln?

Diana: Ich möchte, dass die Fans auf der einen Seite die tatsächliche Wiedergeburt von Delain spüren, aber auf der anderen Seite etwas bekommen, das sie gewohnt sind. Die Delain-DNA ist immer noch da, der Sound ist immer noch ähnlich. Natürlich gibt es jetzt mich, ich bin neu, meine Stimme klingt anders. Auch wenn viele sagen, ich klinge ähnlich wie meine Vorgängerin. Aber: Unterschiedliche Sängerinnen werden immer verschiedene Stimmen haben. Denn jede Stimme ist eine Mischung aus deiner Persönlichkeit, den Musikrichtungen, die du hörst und vielen anderen Aspekten. Und das ist es, was ich möchte: Mit meinem Klang Frische reinbringen. Aber man muss auch sagen: Auch wenn Charlotte nicht mehr da ist, sind die Songwriter dieselben. Martijn und Guus Eikens sind nach wie vor das Rückgrat des Songwritings. Ich bin hier, um das Ganze etwas anders klingen zu lassen.

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Diana Leah

Diana Leah (*15. August 1990) ist eine rumänische Sängerin und Songwriterin. Sie ist seit 2022 Frontfrau der niederländischen Symphonic-Metal-Band Delain und somit Nachfolgerin von Charlotte Wessels in dieser Funktion.

Rumänien

Nationalität

Italien

Lebensmittelpunkt

15. Aug. 1990

Geburtstag

"Moth to a flame" hast du selbst geschrieben. Eine schöne und gleichzeitig traurige Metapher dafür, immer wieder zu einer Situation zurückzukehren, die einem eigentlich nicht gut tut. Was hat dich dazu veranlasst, ein so persönliches Stück zu schreiben?

Diana: Wenn ich Texte schreibe, ist es für mich kaum möglich, nicht aus meinen eigenen Erfahrungen heraus zu texten. Ich denke, im Leben jedes Einzelnen gibt es etwas, das einen aufwühlt. Ein Erlebnis, durch das man gegangen ist, das einem Schmerz zugefügt hat. Um von den Dingen zu heilen, die mir widerfahren sind, muss ich über sie schreiben. Alles rauslassen, auf Papier bringen und einen Song machen. "Moth to a flame" kam relativ spontan aus mir raus. Anlass war etwas, das ich damals durchmachen musste. Viele von uns binden sich auf ungesunde Art an etwas oder jemanden und merken es nicht. Speziell, wenn diese Bindung weh tut, sollte man sich aber darüber bewusst werden. Darauf wollte ich mit dem Song hinaus. Denn sobald du ein Bewusstsein dafür hast, dass diese Bindung dir nicht gut tut, kannst du heilen und wieder zurück in dein normales Leben finden. Ich weiß, dass das viele Leute nachvollziehen können. Wir haben die Tendenz, uns schnell an Dinge oder andere Personen zu binden, auch wenn sie uns eigentlich eher schaden. Ich hoffe, unsere Fans finden Erleichterung in den Lyrics, die ich geschrieben habe. Die Tatsache, dass die Reaktionen auf den Song bisher so gut waren, macht mich dann extra stolz.

Für viele Leute ist es eine Form der Therapie, eure Songs zu hören. Fühlst du änlich beim Schreiben?

Diana: 100 Prozent. Wenn ich Zeit habe, mag ich es, Tagebuch zu schreiben und meine Gedanken zu notieren. Schreiben – auch wenn ich nur 10 Minuten Zeit habe, über meinen Tag zu schreiben oder über etwas, das mich gerade bedrückt – hilft mir immens dabei, mich leichter zu fühlen und loszulassen. Songs zu schreiben ist für mich eine gute Art der Therapie. Und weißt du, was auch therapeutisch für mich ist? Einen Song auf der Bühne zu singen. Vor allem, wenn mir der Song sehr viel bedeutet. Für mich ist es dann, als würde ich die Situation erneut durchleben. Ist es eine Situation, die mich wütend gemacht hat, lasse ich den ganzen Ärger auf der Bühne raus. Das ermöglicht es einem, die Lieder noch besser zu performen.

Ein Song, der mich wirklich vom Hocker gehauen hat, ist Mirror of Night. Ich bin eine notorische Zerdenkerin, also treffen die Lyrics bei mir absolut ins Schwarze. Was mir aber noch viel mehr Gänsehaut verpasst hat, sind deine Vocals in den Schlusspassagen. Woher holst du so viel stimmliche Kraft?

Diana: Das Meiste ist Übung. Deine Stimme ist ein Muskel und wie jeden anderen Muskel musst du auch diesen trainieren. Je mehr du trainierst, desto stärker wirst du und desto mehr kannst du aushalten und abrufen. Dazu gehört: Höhere Noten über einen längeren Zeitraum zu singen. Aber es hat auch viel mit innerer Stärke zu tun. Wenn man was zu sagen hat, benutzt man seine Stimme dazu, oft schreit man auch. Natürlich schreie ich nicht, sondern singe. Für mich ist es aber so, als würde ich meine Botschaft in die Welt hinaus rufen, um gleichzeitig loszulassen. In der Bridge in "Mirror of Night" gehe ich sehr hoch, fast schon operettenhaft. Und obwohl es schön klingt, ist es für mich, als würde ich es schreien. Da kommt quasi die innere Sturzflut aus mir raus. Brüllen ist auch eine Art Therapie. Wenn man verärgert ist, einfach ein Kissen hernehmen und reinschreien, bis man sich besser fühlt.

Du meintest in deinem YouTube-Q&A, dass du gerne mal mit Hailey von Paramore oder Sharon von Within Temptation auf der Bühne stehen würdest. Warum genau diese beiden?

Diana: Vor kurzem kam das neue Album von Paramore raus und ich höre es den ganzen Tag rauf und runter! (lacht) Ich liebe Haileys Art zu texten. Sie hat mich schon immer inspiriert, vor allem als Teenager. Wie sie ihre Gefühle ausdrückt, ist so echt und roh – sie kann gut mit Worten umgehen. Jedes mal, wenn ich einen Paramore Song höre und da eine Textzeile ist, die ich sehr fühle, denke ich mir: "Ich wünschte, ich hätte das geschrieben!" Außerdem ist sie eine der besten Performerinnen der Welt. Sie hat so viel Kraft, auch Körperspannung – wie sie sich auf der Bühne gibt ist unglaublich.

Ebenso Sharon. Vor allem, wenn es um stimmliche Performance geht. Meine Symphonic-Metal-Reise hat mit ihr und Within Temptation begonnen. Ihre Stimme ist einzigartig. Als ich den ersten Within Temptation Song hörte – das war "Ice Queen" – wusste ich nicht, was abgeht! Ich hatte bis dahin noch nie eine Stimme in einer so hohen Stimmlage gehört und dachte mir: "Warte, wie macht sie das, kann ich das auch?!" Das hat mich dazu veranlasst, mehr über meine Stimme zu lernen und verschiedene Sachen auszuprobieren.

Eine letzte Frage: Vor Delain hast du in zwei anderen Rockbands gespielt, außerdem hast du einen elektronischen Background. Woher kommt deine Liebe zum Trance, der sich doch sehr vom Metal unterscheidet?

Diana: Es ist lustig – diese Frage bekomme ich immer wieder gestellt! Die Leute scheinen wohl sehr überrascht zu sein, dass ich in einer Metal Band singe, obwohl ich aus dem Trance komme. (lacht) Ich wurde in Rumänien geboren und lebte dort bis ich 15 Jahre alt war. Trance und Dance waren in Rumänien immer schon groß. Wann immer ich als kleines Mädchen Musik im Radio hörte, spielten sie Dance. Als ich nach Italien auswanderte und anfing, Rockmusik zu hören, geriet die elektronische Musik für mich in Vergessenheit. Aber dann hörte ich eines Tages "In And Out Of Love" von Sharon mit Armin van Buuren und dachte mir: "Oh mein Gott, Sharons Stimme im Trance? Ich bin im Himmel!" (lacht) Von da an hörte ich wieder mehr elektronische Musik, insbesondere Armin van Buuren. Ich liebe seinen Style. Es gibt viele DJs, aber nicht jeder schreibt die Songs, so wie er. Durch mein Interesse traf ich Leute, die diese Art von Musik produzieren, sie schickten mir Lieder und ich durfte auf den Tracks singen. So kam der Ball ins Rollen.

Image of Band

Delain

Delain ist eine niederländische Symphonic-Metal-Band, 2002 vom ehemaligen Within-Temptation-Keyboarder Martijn Westerholt gegründet.

Mitglieder

Diana Leah - Sängerin Martijn Westerholt - Keyboard Sander Zoer - Schlagzeug Ronald Landa - Gitarre Ludovico Cioffi - Bass

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