Jinjer – Wallflowers

Jinjer sind mit Wallflowers die neue Decke, nach der sich Modern-Metal-Bands zu strecken haben. Eine einzigartige Mischung aus technischer Perfektion, aggressiver Authentizität und hervorragendem Songwriting. So muss Metal 2021 klingen!

5.0
Florian Dünser

FLORIAN DÜNSER

27. Aug 2021

Review
Jinjer
Tatiana Shmayluk
Image

Kaum eine andere Metal-Band konnte in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie Jinjer. Einerseits, weil die Band rund um Frontfrau Tatiana Shmaylyuk gefühlt keine Gelegenheit ausgelassen hat, ihren einzigartigen Sound live zu performen – und somit diskussionslos eine der fleißigsten Bands der Branche sind. Andererseits, weil sich die Musik von Jinjer "auf Teufel komm raus" nicht einordnen lassen will. Nicht, weil man keine Einflüsse erkennen möchte. Sondern weil die Ukrainer einen einzigartigen und unverwechselbaren Sound kreiert haben. Jinjer sind keine Groove-Metal-, keine Progressive-Metal-, keine Deathcore-Band. Jinjer sind etwas ganz Eigenes – auf einem Level, das es jedem Musik-Enthusiasten die Freudentränen in die Augen treibt.

Jinjer setzen den diskussionslos eigenen Weg auf ihrem vierten Longplayer Wallflowers fort – und präsentieren einen grandiosen Mix aus technischer Perfektion und emotionaler Wut. Die Band, die aus der konfliktreichen Region Donetsk stammt, hat hierfür wohl Stoff für mehrere Band-Leben gesammelt. Und wenn es mit diesen unschönen Erfahrungen und den Erkenntnissen der Pandemie als Gepäck ins Studio geht, entsteht eben ein brachial-wütendes Album, das mit dem Opener „Call Me A Symbol“ bereits eindrucksvoll vermittelt: Jinjer will und muss nicht allen gefallen. Es gibt auf die Ohren. Schnell, wütend – kompromisslos. Und in dieser Tonart geht es mit „Colossus“ weiter, auch wenn die Hörer*innen mit Clean-Vocals-Einlagen von Tatiana hier und da eine Verschnaufpause erhalten.

Ein Aspekt, den Wallflowers generell auszeichnet – die Gesangsstimme von Frontfrau Tati kommt (zumindest gefühlt) deutlich häufiger zum Einsatz als noch auf Macro. Bei „Vortex“, der ersten Single des neuen Albums – oder auch bei der aktuellen Auskopplung „Wallflower“, sogar als dominierende Variante. „Disclosure!“, stilistisch eine eher konträre Nummer auf dem neuen Album, hebt die beeindruckenden Stimmvariationen von Tatiana in den Mittelpunkt. Obwohl man mittlerweile daran gewöhnt sein sollte: Was die zierliche Frontfrau da immer wieder raushaut, kann man auch auf Longplayer IV nicht hoch genug loben.

Die musikalische Brillanz von Jinjer ist, so absurd es klingen mag, zugleich größter Stolperstein auf dem Weg zu noch größerem Ruhm. Jeder einzelne Song ist eine dichtgedrängte Spielwiese der technischen Möglichkeiten der Band – der ständige Wechsel von Rhythmen Visitenkarte der eigenen Perfektion. Das Problem: Die Songs gewinnen ein beeindruckendes Level an Komplexität – und sind dadurch schlicht keine optimale Einstiegsdroge. So groß die Faszination für Tatianas Stimmgewalt beim ersten Kontakt mit Jinjer sein mag: Der Sound macht es schwer, den Einstieg nachhaltig zu festigen. Jinjer werden für die wenigsten den Einstieg in die Metal-Welt markieren – auch wenn die Sucht nach mehr dann schnell größer wird. Mit Wallflowers hat man diesen Umstand weiter zementiert.

Und trotzdem: Die Ukrainer sind vollkommen zurecht eine der größten Metal-Hoffnungen weltweit. Sie sind erfrischend-andere Repräsentanten einer Musik- und Stilrichtung, die oft Gefahr läuft, im eigenen Mief zu ersticken. Davon wollen Tatiana & Band nichts wissen, erfinden sich die vier Vollblut-Musiker*innen doch de facto jährlich neu.

Wallflowers wird als eines der besten Alben 2021 in die Annalen der Musikgeschichte eingehen. Ein Album, das trotz seiner hochkonzentrierten technischen Perfektion zu keiner Sekunde darauf vergisst, die Zuhörer*innen mit jedem einzelnen Song in den Bann zu ziehen. Jinjer sind mit Wallflowers die neue Decke, nach der sich Modern-Metal-Bands zu strecken haben. Eine einzigartige Mischung aus technischer Perfektion, aggressiver Authentizität und hervorragendem Songwriting. So muss Metal 2021 klingen!

Tracklist

  1. Call Me a Symbol

  2. Colossus

  3. Vortex

  4. Disclosure!

  5. Copycat

  6. Pearls and Swine

  7. Sleep of the Righteous

  8. Wallflower

  9. Dead Hands Feel No Pain

  10. As I Boil Ice

  11. Mediator

Sign up for our Newsletter to stay updated on all things

Follow us on Instagram