Interview: Warum Satanismus und Feminismus wie die Faust aufs Auge passen
Sie ist eine der wenigen Frauen im Black Metal: RĂŠgina von Daemonesq. Wir trafen sie zum digitalen Plausch ĂŒber Feminismus, Provokation und Growling-Gesangsstunden.
ELENA VON DARK DIVAS
12. Mar 2021
RĂŠgina, ihr habt Daemonesq im FrĂŒhling 2020 gegrĂŒndet â fast zeitgleich mit dem Beginn der Corona-Pandemie. Wie war das fĂŒr euch als frischgebackene Band, gleich wieder eingebremst zu werden?
RĂŠgina: Ich bin im FrĂŒhjahr 2020 dazugekommen. Die Idee fĂŒr die Band gab es aber schon ein bis zwei Jahre vorher. Als ich im Mai dazugekommen bin, war die Band eigentlich komplett â es war noch ein anderer Bassist dabei und es gab bereits eine erste Song-Idee. Es hat sich also ĂŒber die Zeit entwickelt, dass sich die Leute gefunden haben.
Am Anfang war es gar nicht so wild, weil wir eh viel elektronisch gemacht haben. Ich habâ hier in Köln Ideen eingesungen, die anderen konnten zu Hause mit Gitarre und Bass ihr Zeug einspielen. Und dann tauscht man halt untereinander Ideen aus. Geprobt haben wir nicht oft. Das wird sich in Zukunft aber Ă€ndern.
Das heiĂt, ihr hattet noch gar nicht die Chance, euch wirklich kennen zu lernen?
RĂŠgina: Wir sind ĂŒber unsere WhatsApp-Gruppe fast tĂ€glich in Kontakt. Wir schreiben da viel Spökes (Anm.: Unsinn), aber tauschen auch viele Ideen und PlĂ€ne fĂŒr die Zukunft aus. An den Wochenenden wollen wir uns zumindest jeweils zu zweit treffen â fĂŒr Videoaufnahmen. Also es ergibt sich doch immer wieder die Gelegenheit, sich auszutauschen und zu treffen. Zum groĂen Teil aber natĂŒrlich elektronisch.
Den ersten Track, âThe Dark Mistressâ, habt ihr Ende JĂ€nner released. Textzeilen wie âAuge um Auge, Zahn um Zahnâ oder âUnsere Abstammung ist Schmerz â lebendig begraben, geköpft, vergewaltigt und versklavtâ verdeutlichen: Es ist eine dunkle Nummer, unheimlich und brutal. Woher nehmt ihr die Inspiration?
RĂŠgina: Die Texte schreibe ich. Es gibt viel, was mich so umtreibt. Ich habe viele feministische Themen in den Texten, auch wenn ich versuche das ein bisschen in eine Geschichte zu verpacken. Es soll ja kein politisches Pamphlet werden, sondern ein Songtext. Auch wenn ich BĂŒcher lese und Serien gucke, sehe ich ab und an etwas, zu dem mir dann eine Zeile einfĂ€llt. Manchmal, wenn ich GlĂŒck habe, fĂ€llt mir ein ganzer Songtext einfach so ein. Manchmal ist es auch nur eine Zeile, die ich mir aufschreibe und dann setze ich mich zwei Wochen spĂ€ter nochmal ran und ĂŒberlege, wie die Story Drumherum sein könnte.
Es wird gemunkelt, ihr hÀttet weitere Songs in petto und seid vielleicht schon bald mit einem Album am Start.
RĂŠgina: Wir haben tatsĂ€chlich schon viele Songs fertig. Neun sind auf jeden Fall fertig. Die Jungs sind auch immer ganz gut dabei zu produzieren. Wir sind also schon bald an jenem Punkt angelangt, an dem man ein Album veröffentlichen könnte. Die Frage ist natĂŒrlich, wie man das strategisch gĂŒnstig macht. Weil ein Album zu veröffentlichen, ohne ein Konzert spielen zu können, ist nicht ideal. Es wird schon noch ein Weilchen dauern und hĂ€ngt auch ein bisschen von der Situation ab, wie sich das Ganze entwickelt. Wir hoffen, dass es bald mal los geht â vielleicht Ende des Jahres.
Mittlerweile arbeitet ihr schon ein Jahr zusammen. Wie kommt ihr als Band zurecht â kĂŒnstlerisch und menschlich?
RĂŠgina: Also menschlich, wĂŒrde ich sagen, funktionieren wir sehr gut zusammen. Es sind alles sehr nette und ausgeglichene Leute. Was ich besonders toll finde, ist, dass von allen Seiten stĂ€ndig neue Ideen kommen. FĂŒr neue Songs, fĂŒr Dinge, die wir kommunizieren möchten oder welche Bilder wir liefern. Das Schöne ist auch, dass Kompetenzen in der Band breit verteilt sind. Wir haben Corny (Schlagzeuger und GrĂŒnder), der hauptberuflich Produzent ist und die Songs selbst produzieren kann. Wir haben Asmoth (Bassist) â der ist Grafikdesigner und hat immer tolle Ideen, wie man Dinge grafisch aufbereiten kann. Dann haben wir den X (Gitarrist), der im Bereich Film unterwegs ist und auch das erste Video gedreht und geschnitten hat. Das ist inspirierend und ich bekomme sofort Bock, was zu machen, wenn von allen Seiten so viel Input kommt.
Das Subgenre Black Metal provoziert gerne â etwa durch satanische Texte, dem Spiel mit Blut, Tod und Elend. Was reizt dich an dieser dĂŒsteren Welt?
RĂŠgina: Vorweggesagt: Ich grenze mich â auch im Namen der andern â von rechten Strömungen und Rassismus innerhalb des Black Metal ab. Was mich am Black Metal so fasziniert, ist diese Mischung aus kompletter Verzagtheit und Nihilismus auf der einen Seite und konstruktiver Aggression und Wut auf der anderen Seite. Es gibt kein anderes Genre, in dem ich das so erlebe. Das ist etwas, das mich sehr anspricht, weil ich das sehr mit meinem persönlichen Leben verbinden kann. Dass es einerseits Themen gibt, bei denen ich mir denke: da kann man eigentlich nur noch verzweifeln. Und ich andererseits merke, dass die Wut ĂŒber gewisse ZustĂ€nde ein guter Motivator ist und antreibt, Dinge zu verĂ€ndern.
Inwiefern spielen Religion, Satanismus, Mythologie und DÀmonologie bei euch eine Rolle? BeschÀftigst du dich auch privat damit?
RĂŠgina: Ich finde Satan ist eine schöne Metapher. Es symbolisiert alles, was gegen etablierte Normen und Strukturen auftritt. Auch â oder insbesondere â jene, die einen gewissen oppressiven Charakter haben. Das Thema Feminismus treibt mich schon sehr um und ich finde, dass das mit dem Thema Satanismus gut zusammenpasst. Im Satanismus lehnt man sich gegen Gott und etablierte Religionen auf. Im Feminismus gegen das Patriarchat und gegen die etablierte Gesellschaftsordnung. Das kann man ĂŒber diese satanistischen Themen sehr schön bildhaft in Texten verpacken. Auch das GrundgefĂŒhl, sich wehren zu wollen und etwas Ă€ndern zu wollen, passt gut zusammen.
Kann man mit Black Metal im Jahre 2021 ĂŒberhaupt noch provozieren?
RĂŠgina: Ich glaube, wenn man es mit Themen wie Feminismus verbindet, sehr wohl. Dass sich eine Frau öffentlich hinstellt und sagt: âIhr könnt mich alle am Arsch leckenâ, das ist schon relativ selten. Ich habâ mir auch sagen lassen, dass es Menschen geben soll, die es mit der Angst bekommen, wenn eine Frau StĂ€rke vermittelt und selbstbewusst ist. (lacht)
Man merkt: Das Thema Feminismus liegt dir besonders am Herzen.
RĂŠgina: Ja! Im Feminismus bin ich schon lĂ€nger zu Hause. Ich bin Mitherausgeberin des Queer-Feministischen-Taschenkalenders. AuĂerdem bin ich ehrenamtlich in einer Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt tĂ€tig. Also damit beschĂ€ftige ich mich schon lange, eigentlich seit Teenager-Alter.
Musstest du selbst schon Erfahrungen mit Sexismus in der Musik machen?
RĂŠgina: Die Metal-Szene ist schon sehr mĂ€nnlich geprĂ€gt. Als Frau fĂ€llt man da auf. Es ist auch schwierig, eine positive SĂ€ule zu finden. Denn einerseits gibt es Frauen, die kommen sehr mĂ€nnlich rĂŒber. FĂŒr mich hat das einen leicht misogynen Touch, weil die Idee ist, dass alles, was weiblich konnotiert ist, nicht so viel wert, schwach und nicht erstrebenswert ist. Andererseits gibt es, in meiner Wahrnehmung, in der Szene auch viele Frauen, die betont sexy und weiblich rĂŒberkommen wollen. Die einen auf schwach und âbitte rette michâ machen. Und ich glaube, es ist schwierig, sich da durchzumanövrieren, ohne als Opfer oder mĂ€nnerhassende Emanze dazustehen. Das ist aber in anderen Bereichen des Lebens Ă€hnlich.
Die ĂŒblichen Catcalling-Sachen, etwa wenn einer dir âgeiler Arschâ hinterherschreit â das ist gĂ€ngig. Dass jemand wirklich ĂŒbergriffig wurde, habe ich aber selten erlebt. Mit Daemonesq fahr ich da sehr gut, weil das alles politisch korrekte Leute sind. Das finde ich gut und mit denen fĂŒhle ich mich sehr wohl.
Du hast dir innerhalb eines Jahres das Growlen beigebracht â Hut ab!
RĂŠgina: Ich habe immer schon gerne gesungen. Habâ auch mal im Chor gesungen, aber das ist jetzt nicht so Black Metal. (lacht) Ich kam mir aber immer ein bisschen blöd vor und hatte das GefĂŒhl, irgendwie passt das nicht zu mir. Wirklich wohl fĂŒhle ich mich damit nicht. Vor ein paar Jahren bin ich dann ĂŒber Post-Rock und Post-Black-Metal zum Black Metal gekommen. Und da hatte ich das GefĂŒhl, das könnte was sein, das zu mir passt. Ich habe lange drĂŒber nachgedacht und irgendwann dachte ich mir, ich versuchâs jetzt einfach mal. In Köln habe ich dann einen Gesangslehrer gefunden, der explizit gutturalen Gesang unterrichtet. Ich bin zu einer Probestunde und fand das sofort total cool und bin dann auch dabeigeblieben. Beim Schreien habe ich das GefĂŒhl, das es zu mir passt. Ich mache das gerne, ich komme mir nicht komisch dabei vor und es macht mir SpaĂ. Ich habe auch kein Problem, vor anderen Leuten zu schreien.
Wie kann man sich so eine Growling-Gesangsstunde vorstellen?
RĂŠgina: PrimĂ€r gehtâs um die Technik, weil gutturaler Gesang einfach anders ist als cleaner Gesang. Es gibt natĂŒrlich auch Gemeinsamkeiten, etwa das richtige Atmen, oder, dass man die Atemmuskulatur trainiert. Wenn man die Technik beherrscht, geht man ins Finetuning ĂŒber. Wie komme ich höher? Wie komme ich tiefer? Wie klingt es voller? Solche Dinge.
Du bist ja Doktorandin â mit was beschĂ€ftigst du dich in deinem Studium?
RĂŠgina: Ich bin am Lehrstuhl fĂŒr pĂ€dagogische Psychologie und beschĂ€ftige mich mit Anti-Diskriminierungsarbeit. Und im Speziellen mit Sexismus und der Frage, wie man Leute dazu befĂ€higen kann Sexismen zu erkennen, sich dagegen auszusprechen und Stellung zu beziehen. Das wird auch Thema meiner ersten Datenerhebung sein.
Das Thema scheint sich durch alle deine Lebensbereiche zu ziehen.
RĂŠgina: Auf jeden Fall!
Auf was darf man sich bei Daemonesq als nÀchstes freuen?
RĂŠgina: Auf unser zweites Video! Da treffen wir uns demnĂ€chst am Wochenende fĂŒr Aufnahmen.
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