„Wir müssen keine kurzen Röcke tragen, um beachtet zu werden"

Luana Dametto, Schlagzeugerin von Crypta, teilt Einblicke in das neue Studiowerk „Shades Of Sorrow“, ihre problematische Tour durch die USA und erörtert die Beziehung zwischen Selbstinszenierung und musikalischem Erfolg.

Amanda Dizdarevic

AMANDA DIZDAREVIC

12. Sep 2023

Crypta
Luana Dametto
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Luana, euer neues Album „Shades Of Sorrow“ wurde vor etwas über einem Monat veröffentlicht. Wie sind die bisherigen Reaktionen auf den Neuling?

Luana Dametto: Fantastisch! Durch unsere erste Platte „Echoes Of The Soul“ haben wir bereits viel Aufmerksamkeit erhalten, obwohl Crypta erst vor wenigen Jahren gegründet wurde und wir eigentlich noch größtenteils Unbekannte waren. Doch das neue Album hat das alles übertroffen; es hat noch bessere Kritiken und höhere Bewertungen bekommen. Für uns ist das auf jeden Fall eine Überraschung, da wir uns nie erwartet hätten, noch mehr Aufmerksamkeit zu erlangen.

Welche Gründe vermutest du hinter dem besseren Feedback?

Luana: Ich glaube, ein wesentlicher Faktor dafür ist, dass wir als Musikerinnen insgesamt stark gewachsen sind. Vor Crypta spielten Fernanda (Anm: Fernanda Lira, Sängerin und Bassistin) und ich bereits eine Weile in der Band Nervosa und schrieben dort schon gemeinsam Songs, allerdings mit anderen Bandmitgliedern. Dementsprechend war „Echoes Of The Soul“ noch stark von Experimenten geprägt; wir mussten erst lernen, zusammen als Team zu arbeiten. Es ging aber nicht nur darum, uns als Einzelpersonen kennenzulernen, sondern auch die bevorzugte Arbeitsweise jedes Mitglieds beim Musikschreiben zu verstehen. Während des Schreibens und Aufnehmens von „Shades Of Sorrow“ sind wir zu einer eingeschworenen Einheit zusammengewachsen, haben gemeinsame Erfahrungen gesammelt, Musik gemacht und sind auf Tour gegangen.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass ihr auch dieses Mal wieder sehr experimentierfreudig gewesen seid.

Luana: Absolut! Wir lieben es immer noch, verschiedene Stile zu integrieren, da unsere Gruppe aus vier Mitgliedern mit unterschiedlichen musikalischen Einflüssen besteht – selbst innerhalb des Metal-Genres. Jéssica (Anm: Jéssica di Falchi, Gitarristin) hat eine Vorliebe für Prog und Heavy Metal, Tainá (Anm: Tainá Bergamaschi, Gitarristin) hört auch viel Prog und etwas Death Metal, vorzugsweise das moderne Zeug. Ich persönlich stehe mehr auf den schwedischen Old School Death Metal, während Fernanda US-Death Metal liebt. Das macht es natürlich herausfordernd, immer allen gerecht zu werden, wenn wir an neuen Liedern arbeiten. Dennoch versuchen wir stets, eine Balance zu finden. Wenn wir für einen Song beispielsweise mehr auf den melodischen schwedischen Stil zurückgreifen, kann der nächste Titel brutaler sein, und der darauffolgende dann moderner. So bleibt jede von uns zufrieden, und genau das macht uns aus, verhindert Langeweile und bringt Vielfalt.

Tainá war damals bei der Entstehung von „Echoes Of The Soul“ nicht beteiligt, da sie der Band erst nach Abschluss dieses Albums beitrat. Im Gegensatz dazu war sie von Beginn an in die Produktion von „Shades Of Sorrow“ involviert. Welche Veränderungen hat sie mit sich gebracht?

Luana: Tainá hat eine Menge komplexer Gitarrenriffs eingebracht – und sie sind wirklich großartig! Das Schreiben von Liedern mit ihr war äußerst produktiv und mühelos. Diesmal konnte jedoch Jéssica nicht von Anfang an dabei sein, da sie erst zur Band kam, als „Shades Of Sorrow“ bereits fertiggestellt wurde. Wir hoffen, dass beim nächsten Album alle von uns ab Tag eins einbezogen werden und dass es von mehr als drei Personen geschrieben wird (lacht).

Gibt es einen Song, auf den du besonders stolz bist?

Luana: Ganz klar „Lord Of The Lost“. Dieser Titel enthält viele coole Riffs, die ich geschrieben habe, und deshalb bin ich so stolz darauf. Diese Riffs hatte ich eine Weile auf Lager und bei diesem Song wusste ich, dass es an der Zeit war, sie zu nutzen und weiterzuentwickeln. Wir haben dieses Stück auch als erste Single veröffentlicht, da es die Geschichte dieser Scheibe am besten erzählt. Uns ging es grundsätzlich darum, den Schmerz zu beschreiben, den eine Person durchleben kann.

Mit der neuen Erscheinung geht’s dann Anfang nächstes Jahr nach Amerika für eure erste US-Headliner-Tour. Ihr seid sicher schon aufgeregt.

Luana: Total! Ich hoffe einfach, dass diese Tour durch die USA reibungslos verläuft, denn während unserer letzten Tour dort haben wir einige schlechte Erfahrungen gemacht.

Was ist denn passiert?

Luana: An sich war die Tournee super; wir durften für Morbid Angel spielen. Leider hatten wir gleichzeitig mit einem Tornado zu kämpfen und das war enorm beängstigend und stressig. Wir waren froh, überlebt zu haben. Nichtsdestotrotz war es verdammt frustrierend, nach einer so problematischen Tour nach Hause zu kehren. Demnach hoffen wir einfach, dass wir diesmal weniger Chaos erleben und uns besser auf die einzelnen Shows konzentrieren können.

Unter eurem Ankündigungsbeitrag auf Instagram steht zudem, dass ihr neue Orte in Amerika besuchen werdet, um Fans, die euch bisher noch nicht live sehen konnten, die Möglichkeit dazu zu geben. Wie würdest du die Beziehung zu euren Fans beschreiben?

Luana: Crypta zieht ein breites Spektrum an Menschen aller Altersgruppen und Geschlechter zu den Konzerten an. Hier finden nicht nur ältere Fans ihren Platz, sondern auch ganz viele Kinder und Jugendliche. Auffallend ist dabei, dass ich im Publikum deutlich mehr Frauen sehe als bei Bands, die ich persönlich sehr gerne höre – auf Shows von extrem brutal klingenden Underground Death Metal-Bands begegnet man hauptsächlich älteren Männern. Aus diesem Grund freut es uns, dass wir eine besondere Beziehung zu unseren Fans pflegen und in der Lage sind, Leute durch unsere Musik anzusprechen, die vielleicht nicht einmal der Metal-Szene angehören. Crypta schafft eine Atmosphäre, in der sich jeder Mensch willkommen und wohl fühlt. 

Welchen Rat würdest du jungen Mädchen und Frauen geben, die sich für eine Karriere in der Musik interessieren und ihren Weg in diesem Bereich finden möchten?

Luana: Zu allen, die mit dem Schlagzeugspiel beginnen wollen – insbesondere zu Frauen – sage ich immer eins: Vergleicht euch nicht mit anderen, sondern vergleicht euch mit eurem gestrigen Selbst. Es spielt keine Rolle, wenn ihr heute nur einen einfachen Beat spielen könnt – gestern konntet ihr das noch nicht. Ihr seid bereits besser als euer Ich von gestern, und das ist es, was zählt. Macht Musik und kümmert euch nicht darum, was andere denken. Ich sehe viele Frauenbands, die sich stark auf ihr Aussehen konzentrieren. Das ist vollkommen in Ordnung, doch das ist nicht das, worauf Crypta Wert legt und wofür Crypta steht.

Und worauf legt ihr Wert?

Luana: Als Frauen haben wir es schon schwer genug, Respekt zu erhalten. Die Leute denken immer, dass wir nicht so gut spielen können, unser Instrument nicht verstehen oder Metal nicht einmal mögen. Genau deswegen ist es wichtig für uns, zu zeigen, dass wir genauso kompetent sind wie männliche Musiker. Wir müssen keine kurzen Röcke tragen und unsere Körper präsentieren, um beachtet zu werden. Die Leute sollen Crypta hören und zu unseren Auftritten kommen, weil sie von der Musik begeistert sind. Klar, wir erregen automatisch mehr Aufmerksamkeit wegen unseres Geschlechts, allerdings wollen wir, dass die Leute zu unseren Fans werden, weil wir musikalisch alles richtig machen. Unser Ziel ist es, die Vorstellung zu ändern, dass Frauen nur dann erfolgreich sind, wenn sie attraktiv oder sexy sind. Erfolg hat rein gar nichts mit Aussehen zu tun.

Sind bereits einige Mädchen und Frauen auf dich zugekommen und haben gesagt, dass du sie dazu inspiriert hast, Musik zu machen?

Luana: Ja, das ist mir schon oft passiert! Viele Kinder sind zu mir gekommen und haben gemeint, wie sehr sie mich lieben und dass sie sich wegen mir ein Schlagzeug besorgt haben. Es ist immer so schön, das zu hören, vor allem, weil ich selbst, als ich mit dem Schlagzeug begonnen habe, keine weiblichen Vorbilder hatte – alle waren Männer. Daher ist es umso erfreulicher, dass junge Menschen uns und andere Frauen als Inspiration nutzen können.

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