„Wartet die nächsten Videos ab – da haben wir richtig gelitten!“
Am 28. August sind Enemy Inside mit ihrem zweiten Album „Seven“ am Start. Im Interview mit Dark Divas spricht Frontwoman Nastassja Giulia über die sieben Sünden hinter der Platte, herausfordernde Videodrehs und Homophobie.
ELENA VON DARK DIVAS
5. Aug 2021
Nastassja, Ihr habt dieses Jahr schon vier neue Singles rausgehauen – „Crystallize“, „Alien“, „Release Me“ und „Black Butterfly“. Kommt vor dem Release von „Seven“ noch ein weiterer Track hinzu?
Nastassja: Ja! Ich darf nichts konkretes verraten, aber es wird auf jeden Fall noch eine Single und ein Video geben.
Warum widmet ihr euch dem Thema „Sünden“?
Nastassja: Ich habe das Thema immer schon sehr interessant gefunden und viele Artikel darüber gelesen. Gerade nach „Phoenix“, ein sehr persönliches Album, wollte ich ein gesellschaftskritisches Thema aufgreifen. Dann kam die Corona-Pandemie, die uns viel Inspiration gegeben hat. Gerade in der Anfangsphase kam ja zum Teil das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein. Wo sich die Leute im Supermarkt um Klopapier gestritten haben und alle nur träg zuhause rumgelungert sind. Da waren zwar schon einiges Songs in der Mache, aber gerade textlich hat uns das nochmal Anstoß gegeben.
Würdest du dich selbst als „Sünderin“ bezeichnen?
Nastassja: Ja, schon. Aber es geht nicht ums Thema Sünde im biblischen, christlichen Sinne. Es geht auch nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Sondern es geht darum, bestimmte Themen kritisch zu hinterfragen, den Zuhörer zum Nachdenken anzuregen. Und da schließe ich mich natürlich mit ein. Wir alle sind nicht perfekt. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen besser wird. Und darum geht’s eigentlich: Wir nehmen Bezug auf die biblischen Stichworte – aber interpretieren sie modern.
Wovon lasst ihr euch sonst inspirieren und beeinflussen?
Nastassja: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass Inspiration etwas ist, das häufig unterbewusst stattfindet. Inspiration kann ganz vieles sein: Ein Film, ein Satz – oder ein Erlebnis. Das ist total unterschiedlich. Es sind sowohl Songs auf dem Album, die sehr persönlich sind, die viel aus meinem eigenen Leben erzählen. Aber auch Songs, zu Themen, die mich interessieren und mich im Alltag beschäftigen.
Die Unterschiede bemerkt man auch, wenn man ins Album reinhört. Mit „Break Through“ liefert ihr eine schwere, melancholische Nummer, „Dynamite“ hingegen ist schnell und dynamisch und „Crystalize“ mitreißend und catchy. Wie wichtig ist euch diese Diversität auf euren Alben?
Nastassja: Nicht jeder unserer Songs soll gleich klingen. Also, dass nicht jede Nummer in derselben Tonart ist oder dasselbe Tempo hat. Auch wenn wir selbst Musik hören, würde und das wahrscheinlich langweilen, wenn auf einem Album jeder Song identisch klingt. Klar, wollen wir immer noch einen roten Faden haben, der sich durchs Album zieht. Aber jeder Song soll etwas eigenständiges mitbringen. Sodass man sich richtig dran satthören kann.
Dein Favorit auf „Seven“?
Nastassja: Das ist wie, wenn man eine Mutter mit mehreren Kindern fragt, welches ihr Lieblingskind ist! (lacht) Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es „Release Me“, weil es ein sehr persönlicher Song ist. Auch bezogen auf die Melodie ist es für mich eine der eingängigsten Nummern. Ich glaube, „Release Me“ ist generell ein Favorit der Band.
Wie seid ihr an das neue Album herangegangen, was war euch besonders wichtig?
Nastassja: Alles eigentlich! Evan beschäftigt sich neben dem Texten mehr mit Audioproduktion. Ich bin in die Texte und alles Visuelle, zum Beispiel die Videos, involviert. Wir sind beide relativ perfektionistisch veranlagt. Deswegen kann ich gar nicht sagen, was uns am wichtigsten war. Wir gehen halt mit dem Anspruch ran: Das Beste was wir machen können, machen wir.
Viele eurer Videos sind sehr kreativ und spektakulär – coole Outfits, verrücktes Haar und Makeup, verschiedene Settings. Ist der Videodreh etwas, das dir besonders Spaß macht?
Nastassja: Total! Es ist immer mega viel Arbeit im Vorfeld. Und ich gebe auch zu, dass ich die Wochen davor schon merke, dass ich mich damit vielleicht ein bisschen übernehme. Aber wenn ich dann das Video sehe, ist es das alles wert gewesen. Grad das Video zu Black Butterfly ist eines unserer aufwendigsten Musikvideos gewesen. Die ganze Kulisse und die Outfits habe ich selbst gebastelt. Ich hab‘ also viel Schweiß und Herzblut reingesteckt, zum Teil auch viel gemotzt. Aber als ich das fertige Video gesehen habe, dachte ich mir: Das ist es!
Beeindruckend, dass ihr das ganze selbst in die Hand nehmt und so aufwändig gestaltet. In einem Behind The Scenes Video auf eurem YouTube-Channel sieht man sogar, wie du am Set von „Crystallize“ extra eine Zigarette rauchst, um den perfekten Shot zu bekommen!
Nastassja: Das mit der Zigarette ist eh noch das Harmloseste! Wartet die nächsten Videos ab, da haben wir richtig gelitten. Insbesondere bei Black Butterfly.
Im Song Alien setzt ihr ein klares Statement gegen Diskriminierung und Homophobie. Wie waren die Reaktionen darauf?
Nastassja: Sehr gespalten. Aber das war uns klar. Das ist ein Thema, das polarisiert – darauf waren wir vorbereitet. Auf der einen Seite gab es Leute, die das total gefeiert und unterstützt haben. Dadurch haben wir viele neue Fans gewonnen. Auf der anderen Seite gab es viele kritische Äußerungen – zum Teil auch unter der Gürtellinie. Genau aus diesem Grund haben wir den Song gemacht: Weil man an den Kommentaren sieht, dass das Thema Homosexualität nach wie vor wichtig ist, wir aber anscheinend noch nicht im Jahr 2021 angekommen sind.
Was wirklich schwierig war, war den Song zu promoten. Gerade bei Google- und Facebook-Ads gab‘s richtig Probleme mit den Richtlinien. Wir hatten eine leicht verhüllte Nacktszene in der Ad, da hat man zwar nicht wirklich was gesehen, aber die haben wir rausgenommen. Dann dachten wir uns, vielleicht liegt es an den zwei Männern, die sich küssen. Aber das war für uns auch nicht nachvollziehbar. Weil wenn man heutzutage im Internet unterwegs ist oder abends RTL2 einschaltet, sieht man solche Inhalte genauso. Es kam immer die Meldung „Inappropriate Content“. Anfangs waren wir darüber ein bisschen traurig, weil das für uns ein Herzenssong und ein Herzensvideo ist, mit vielen coolen Leuten, die trotz der schwierigen Zeit mitgemacht haben. Aber jetzt sind wir drüber hinweg und trotzdem froh, dass wir’s gemacht haben.
Würdest du dich als Aktivistin gegen Intoleranz und Diskriminierung bezeichnen?
Nastassja: Aktivistin eher nicht. Aber es ist das, woran ich glaube. Wenn ich sehe, wie Menschen diskriminiert werden, dann stehe ich dafür auf und dafür ein. Das ist mir wichtig.
Wenn wir grad beim Thema sind: Die Metalwelt ist ja nach wie vor sehr männerdominiert. Und wenn es Frauen im Metal gibt, werden sie oft gleich in die Symphonic-Metal-Ecke geschoben. Wie stehst du dazu?
Nastassja: Es ist lustig, dass du das sagst, weil normalerweise, wenn ich irgendein Interview habe, höre ich immer das Wort „Symphonic“. Da ist prinzipiell nichts Verwerfliches dran, aber unsere Musik hat halt weder Einflüsse davon, noch geht meine Stimme in die klassische Symphonic-Metal-Richtung. Ich habe eher eine pop-orientierte Stimme. Und ich finde das dann immer so lustig, wenn die Reaktion ist: „Ah, sie ist ne‘ Frau – die gehört in den Symphonic Metal“.
Und natürlich gibt’s nach wie vor Leute, die mit Vorurteilen belastet sind. Die sagen „Frauen gehören nicht in den Metal“. Aber ich glaube, da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Man sieh mittlerweile viel mehr Bands und auch erfolgreiche Bands, die mit Frauen besetzt sind. Da findet schon ein Wandel statt. Und ich selbst finde mich in der Metalwelt eigentlich ganz gut zurecht.
Ist dir schon mal mit Seximus begegnet worden?
Nastassja: Ja. Wir haben überwiegend sehr respektvolle Fans, ein cooles Publikum. Allerdings gab‘s schon den ein oder anderen Vorfall. Aber damit hat man als Frau auch im Alltag zu kämpfen, nicht nur auf der Bühne.
Du singst nicht nur selbst, du gibst auch Gesangsstunden. Hast du schon neue Metal-Talente entdeckt?
Nastassja: Ich habe tatsächlich ein paar Schüler, die könnten eine Gesangskarriere starten, wenn sie Fleiß und Arbeit reinstecken. Ich unterrichte einige, die in die Richtung Rock und Metal gehen, aber auch viele die Hip-Hop machen oder ihre eigene Musik. Ich bin da nicht beschränkt.
Sind die Gesangsstunden dein zweites Standbein?
Nastassja: Ja, ich bin selbstständige Musikerin. Unter der Woche gebe ich Gesangsstunden, am Wochenende habe ich Auftritte und bin hoffentlich bald wieder mit Enemy Inside unterwegs.
Das heißt: Wir dürfen uns auf eine Tour freuen?
Nastassja: Dass ist der Wunsch! 2019 haben wir das letzte Mal gespielt. 2020 hätten wir eine kleine Tour gehabt, die wurde zwei Tage vor Start abgesagt. Seitdem sind wir nicht mehr zusammen auf der Bühne gestanden. Und das fehlt uns natürlich sehr.
Dein abschließender Appell an eure Fans?
Nastassja: Auch wenn im letzten Jahr während der Pandemie das Thema Musik ein bisschen untergegangen ist: Unterstützt die Bands und geht auf Konzerte, jetzt wo das Leben wieder anfängt. Kauft Musik, schaut Videos, kommentiert auf Facebook und Instagram. Viele Leute unterschätzen, wie wichtig das für Künstler ist, einfach einen simplen Kommentar zu hinterlassen. Das pusht den Algorithmus und hilft dabei, in diesem Sumpf an Corona-Meldungen und anderen Social-Media-Posts nicht unterzugehen.
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