„Eine bittersüße Mischung aus Verlangen, Verlust und Hingabe"
Mit „A Thousand Little Deaths" veröffentlichen Blackbriar ihr bislang wohl persönlichstes Album – düster, verträumt, verführerisch. Frontfrau Zora Cock nimmt uns mit in eine Welt voller bittersüßer Sehnsucht, morbider Märchen und innerer Transformation. Im Interview spricht sie über ihre Inspirationen, das neue Selbstbewusstsein der Band – und warum ihre Stimme manchmal von Geiern umkreist wird.
FLORIAN DÜNSER
19. Aug. 2025
Zora, euer neues Album A Thousand Little Deaths erscheint in Kürze – wie fühlt es sich an, dieses neue Kapitel zu öffnen?
Zora Cock: Ich werde normalerweise ziemlich nervös, bevor ich auf die Bühne gehe oder ähnliches – und genauso ist es auch beim Release neuer Musik. Der einzige Unterschied: Ich kann dieses mal alleine nervös sein! (lacht) Gleichzeitig ist es aber auch immer eine sehr schöne Mischung aus Vorfreude und Aufregung.
Gibt es eine bestimmte Emotion, die das Album für dich am stärksten einfängt?
Zora: Für mich liegt die Essenz von A Thousand Little Deaths in der Sehnsucht – dieser bittersüßen Mischung aus Verlangen, Verlust und Hingabe. Durch die Songs zieht sich eine Melancholie, aber auch eine Schönheit darin, sich diesen Gefühlen hinzugeben, anstatt sie zu verdrängen. Ich glaube, deshalb wirkt das Album so intim – es spiegelt all die kleinen Tode wider, die wir alle durchleben.
Schon der Titel klingt tief melancholisch und poetisch – worauf spielt „A Thousand Little Deaths“ für dich persönlich an?
Zora: Für mich steht A Thousand Little Deaths für all die zerbrechlichen, flüchtigen Momente, in denen sich etwas in dir für immer verändert. Es geht um all die kleinen Verluste, Herzbrüche und Transformationen, die uns prägen. Erfahrungen in Liebe und Leben – jedes Lebewohl, jeder Schmerz fühlt sich wie ein kleiner Tod an, der dich aber gleichzeitig zu dem Menschen macht, der du bist.
Ihr taucht oft tief in düstere, teils märchenhafte Welten ab. Welche Geschichten, Bilder oder Symbole haben dich beim Schreiben besonders inspiriert?
Zora: Für dieses Album hat mich vor allem Emily Dickinson inspiriert – genauer gesagt ihre sehr persönlichen Briefe an eine Frau namens Sue. Weitere Einflüsse hört man in den Lyrics: Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald, das Märchen von Blaubart, Dornröschen und mythologische Figuren wie die Harpyie, Pandora oder Psyche. Manche Songs basieren auch auf realen Tragödien, wie Legally Dead – inspiriert vom Tagebuch der Marcia Hamilcar aus dem 19. Jahrhundert, die gegen ihren Willen in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. Aber am meisten inspiriert haben mich wahrscheinlich die kleinen Tragödien meines eigenen Lebens. Die Eibe taucht mehrfach im Album auf – sie steht für Unsterblichkeit und Tod, was für mich perfekt zu diesem Album passt.
Du hast A Last Sigh of Bliss als „sinnlich, verführerisch und euphorisch“ beschrieben – was macht diesen Song für dich so besonders?
Zora: A Last Sigh of Bliss ist für mich besonders, weil es eine Seite von Blackbriar zeigt, die leichter, sinnlicher und verführerischer ist als alles, was wir bisher gemacht haben. Ich habe den Song vor zwei Jahren geschrieben, während der Euphonic Downfall-Tour – nachts im Tourbus, in meiner Koje. Damit ist er offiziell der erste Song, den ich für dieses Album geschrieben habe. Die Idee kam mir durch den Duft von Geißblatt, den ich im Sommerabend aus meinem Garten rieche. Später habe ich mich auch von der letzten Szene unseres Videos Moonflower inspirieren lassen.
Ihr bleibt eurem Stil zwischen Gothic, Symphonic Metal und düsterer Romantik treu – und doch klingt das neue Material noch intensiver und reifer. Was hat sich im Vergleich zu The Cause of Shipwreck oder A Dark Euphony verändert – musikalisch und emotional?
Zora: Ich gehe nie mit einer festen Vorstellung in ein Album. Ich lasse mich einfach inspirieren und schaue, wohin es mich führt – so habe ich bisher jedes Album geschrieben. Auch an unserem Schreibprozess hat sich nicht viel geändert: Ich beginne mit Lyrics und Gesang, und dann wächst die Musik darum herum. Neu war dieses Mal unser erstes gemeinsames Writing Camp mit der ganzen Band – vor allem, um Songs zu verfeinern, die René und ich bereits begonnen hatten. Eine Ausnahme war The Hermit and the Lover, bei dem René feststeckte – und die Band hat dann gemeinsam von Grund auf die Musik um meine Lyrics herum gebaut.
Musikalisch und emotional liegt der Unterschied also nicht im „anders sein“, sondern im natürlichen Wachstum durch neue Erfahrungen, neue Inspirationen. Wir lieben die Welt, die wir mit Blackbriar erschaffen haben – und mit jedem Album entdecken wir neue Wege, sie zu erweitern.
Blackbriar
Blackbriar ist eine niederländische Alternative-Metal-Band. Die Band wurde 2012 gegründet und hat sich seither einen Ruf für ihre einzigartige Musik und ihre kraftvolle Bühnenpräsenz erworben.
Mitglieder
Zora Cock - vocals René Boxem - guitar Bart Kooman - guitar Robin Koezen - bass Frank Akkerman - drums
Deine Texte sind oft wie Gedichte – verspielt, morbide, sehnsüchtig. Schreibst du intuitiv oder arbeitest du konzeptionell an den Lyrics?
Zora: Ich würde sagen: beides. Meist beginnt es sehr intuitiv – wenn mich etwas berührt oder ich selbst etwas erlebt habe, das raus muss. Aber sobald dieser erste Funke da ist, tauche ich oft tief in die Recherche ein, um dem Ganzen möglichst viel Tiefe und Authentizität zu geben. Die Emotion kommt zuerst – und wenn der Song es verlangt, entsteht daraus dann etwas Konzeptuelles.
Deine Stimme ist sehr vielseitig – zwischen zerbrechlicher Sanftheit und kraftvoller Präsenz. Gibt es bestimmte Emotionen oder Bilder, die du beim Singen besonders gern verkörperst?
Zora: Danke für das Kompliment! Ja, Emotionen und Bilder helfen mir enorm – vor allem gegen Lampenfieber. (lacht) Wenn ich auf der Bühne bin, versuche ich, wirklich in den Song einzutauchen und seine Geschichte zu leben. Wenn ich richtig nervös bin, stelle ich mir manchmal vor, ich wäre eine Künstlerin, zu der ich aufschaue – und „leihe“ mir für den Moment ihr Selbstbewusstsein. Irgendwann fühlt es sich dann an wie mein eigenes.
Die Visuals und Videos von Blackbriar sind fast schon cineastisch. Wie sehr bist du selbst in die kreative Bildsprache involviert?
Zora: Musikvideos sind inzwischen fast schon unsere zweite Leidenschaft. Anfangs haben wir sie aus Budgetgründen selbst gemacht – heute machen wir sogar Videos für andere Bands! Ich bin sehr stark involviert. Meist habe ich schon beim Schreiben der Lyrics eine klare visuelle Idee. Oft wählen wir Singles auch danach aus, wie stark die visuelle Welt dazu bereits in meinem Kopf entstanden ist.
Danach machen René, Robin und ich fast alles zusammen: Locations finden, vorbereiten, drehen (außer wir sind alle vor der Kamera), Licht – und ich selbst übernehme den Videoschnitt. Das liebe ich besonders.
Wenn du dich einem neuen Song näherst – was kommt für dich zuerst: die Stimmung, die Geschichte oder der Klang?
Zora: Für mich kommt immer zuerst die Geschichte. Unser Songwriting beginnt meist mit meinen Lyrics. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie fertig sind, nehme ich erste Gesangsmelodien auf – manchmal gleich mit Backing Vocals. Das schicke ich dann an René, der die Musik darum herum aufbaut. So stehen Emotion und Erzählung immer im Mittelpunkt.
Du wirst oft als Gothic-Metal-Ikone gefeiert – gleichzeitig wirkst du in Interviews sehr bodenständig. Wie gehst du mit dieser Außenwahrnehmung um?
Zora: Für mich gibt es da keinen großen Unterschied. Auf der Bühne und in unserer Musik liebe ich diese düstere, romantische Welt, aber ich sehe das nicht als eine andere Rolle. Die Songs kommen aus meinem Innersten, aus eigenen Erfahrungen und Interessen – deshalb fühlt sich das alles ganz natürlich an. Privat bin ich eher schüchtern und zurückgezogen, aber auch das passt irgendwie zu meiner Art zu schreiben. Der einzige echte „Kampf“ ist, als introvertierter Mensch auf der Bühne zu stehen – aber ich versuche, meine soziale Unsicherheit einfach als Teil der Performance zu akzeptieren.
Was gibst du jungen Künstlerinnen mit, die ihren Platz in der Szene suchen?
Zora: Bleibt euch selbst treu. Folgt dem, was euch wirklich begeistert – auch wenn es nicht dem entspricht, was andere tun. Es ist leicht, sich zu vergleichen, aber gerade eure Einzigartigkeit macht eure Kunst bedeutsam. Wenn ihr aus einem ehrlichen Ort heraus erschafft, werden die richtigen Zuhörer*innen euch finden.
Im Oktober startet eure große Headliner-Tour quer durch Europa – worauf freust du dich am meisten?
Zora: Ja, es ist unsere erste Headliner-Tour überhaupt! Ich freue mich riesig darauf, die neuen Songs live zu spielen. Wir versuchen, so viele wie möglich mit einigen älteren Favoriten zu mischen. Besonders freue ich mich auch auf unsere Special Guests Forever Still – eine Band, die wir von Anfang an bewundert haben. Und das wohl Schönste ist das Gefühl, dass jede Person im Raum nur für uns gekommen ist. Das ist unbeschreiblich.
Gibt es Songs vom neuen Album, auf die du live besonders gespannt bist?
Zora: Ja! Ich bin besonders gespannt auf The Catastrophe That Is Us und Bluebeard’s Chamber. Ich habe das Gefühl, dass sie live richtig gut funktionieren – ich hoffe, ich habe recht. (lacht)
Eure Fanbase wächst stetig – über 71 Millionen YouTube-Views sprechen für sich. Wie nimmst du diesen Zuspruch wahr? Fühlt es sich manchmal surreal an?
Zora: Ganz ehrlich: Es fühlt sich seit Until Eternity surreal an – und dieses Gefühl ist geblieben. Unsere Fans sind der Grund, warum wir das alles machen können. Ich erinnere mich noch gut an das Crowdfunding für unser erstes Album – wir waren so nervös, ob es klappt, aber das Ziel war in weniger als 24 Stunden erreicht. Das war unglaublich.
Persönlich kann ich durch meine Patrons jeden Tag das tun, was ich liebe – und dafür bin ich unendlich dankbar. Am Ende machen wir das für genau dieses Gefühl: dass Menschen unsere Musik hören, Trost darin finden, mit ihr weinen. Diese Verbindung ist das Schönste überhaupt.
Abschließend: Wenn du A Thousand Little Deaths in einem einzigen Bild beschreiben müsstest – wie würde es aussehen?
Zora: Genau das war die Frage, die ich mir beim Artwork gestellt habe. Ich stellte mir ein Mädchen auf einer Schaukel in einem Friedhof vor – der Kontrast von Unschuld und Tod. Über ihr kreisen Geier, die sich zu ihr hingezogen fühlen, weil sie bereits tausend kleine Tode gestorben ist. Teile von ihr sind verschwunden – und die Geier warten auf den Rest. Für mich war dieses Bild die perfekte visuelle Metapher für das Album. Deshalb haben wir es auch als Artwork gewählt.
Danke für das Gespräch, Zora – und viel Erfolg für euer neues Album und die anstehende Tour!
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