„Ich möchte die weibliche Version von Dio werden“

Das Album „666" ist nicht nur der Einstand der vielversprechenden Newcomer Cobra Spell, sondern stößt zugleich auf klangliche Weise ein Tor in die Welt der 80er-Jahre auf. Sängerin Kristina Vega erklärt, was die Band und sie an dem vergangenen Jahrzehnt fasziniert, spricht über ihre Liebe zu Ronnie James Dio und teilt ihre Gedanken zum Thema Befriedigung.

Amanda Dizdarevic

AMANDA DIZDAREVIC

8. Jan. 2024

Interview
Cobra Spell
Kristina Vega
Cobra Spell, Kristina Vega

Wenn du die Essenz und den Charakter eures Debütalbums „666“ in einem Wort zusammenfassen müsstest, welches würde das sein? 

Kris: Rebellion. Mit „666“ wollten wir nichts Geringeres als pure Rebellion ausdrücken und gleichzeitig die verschiedenen Facetten der 80er berühren und ihnen Tribut zollen.

Woher kommt die Faszination für die 80er? 

Kris: Von Sonia (Anm.: Sonia Anubis, Gitarristin). Sie ist unsere Hauptkomponistin und hegt eine unerschütterliche Liebe für die 80er. Ihre Leidenschaft und ihr umfassendes Wissen über dieses Jahrzehnt sind unvergleichlich – man könnte sie fast als wandelndes Lexikon bezeichnen (lacht). Sie webt gekonnt diese Hingabe in unsere Musik ein, vor allem durch ihre einzigartigen und dynamischen Riffs; die klanglichen Impulse stammen somit größtenteils von ihr.

Teilst du Sonias Passion?

Kris: Absolut! Während Sonia beispielsweise für die Musik, das Interieur und den Stil jener Jahre schwärmt, schlägt mein Herz für die Videospiele. Ich bin ein Riesenfan von Retro-Games wie Super Mario, Donkey Kong und Rygar und von Konsolen wie Sega und Super Nintendo. Die 80er bilden den Ursprung all dessen, was ich heute liebe, einschließlich meiner großen musikalischen Einflüsse wie Freddie Mercury (Anm.: verstorbener Queen-Sänger) und Ronnie James Dio (Anm.: u.a. Dio, Rainbow, Black Sabbath).

Der Metal und Rock der 80er-Jahre war oft von einer Teufelssymbolik geprägt, die auch in „666“ stark vertreten ist und unterschiedlich interpretiert werden kann. Was bedeutet diese Symbolik für euch?

Kris: In dieser Zeit wurde der Teufel oft mit der weiblichen Identität verknüpft. Es war eine Art Reflex: Eine Frau tat etwas „Komisches“, und schon hieß es, der Teufel sei in ihr. Vieles von dem, was in der Vergangenheit mit Frauen in Verbindung stand, wurde als verflucht angesehen. Wir Frauen tun oft Dinge, die für viele Leute zu kontrovers sind, und das war damals nicht anders. Aus diesem Grund wollten wir mit „666“ ein klares Statement setzen; besonders der Song „The Devil Inside Of Me“ beschreibt diese Situation sehr anschaulich. In diesem Lied wird eine Frau nur wegen ihrer Liebe zu Metal als vom Teufel besessen dargestellt. Ich glaube, dass viele von uns ähnliche Erfahrungen gemacht haben. 

Du auch? 

Kris: Na klar. Als ich 16 war, hörte ich viel Satyricon (Anm.: Black Metal-Band aus Norwegen). Ihre Musik faszinierte mich, aber ihre Texte waren ziemlich düster und alles andere als christlich. Für mein Umfeld, vor allem meine Eltern, war es unverständlich, dass ich solche Musik hörte und mich dazu noch komplett in Schwarz kleidete. Sie haben mich alle gefragt, was mit mir los sei. Ich dachte mir nur: Was wollt ihr alle von mir? Ich bin doch nach wie vor dieselbe Person!

Rührt dein Bedürfnis nach Rebellion daher?

Kris: Als Teenager fühlt man oft den Drang, sich auf eine Weise auszudrücken – und das war einfach meine Art. So wie mir ging bzw. geht es mit Sicherheit dutzenden Frauen. Das liegt vor allem daran, dass viele Leute früher davon überzeugt waren – und es zum Teil immer noch sind –, dass Metal nur etwas für Männer sei.

Cobra Spell

Cobra Spell

Cobra Spell ist eine All Female Metal Band aus Spanien. Die Glam-Metal-Band hat 2023 ihr Debutalbum 666 veröffentlicht.

Mitglieder

Sonia Anubis - Guitars, Synthesizers Noelle dos Anjos - Guitars Kristina Vega - Lead Vocals Hale Naphta - Drums Roxy Herrera - Bass

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Bands wie Cobra Spell zeigen uns jedoch, dass dies nicht der Fall ist. 

Kris: So ist es! Allerdings war das auch etwas, das ich während meiner Kindheit sehr vermisst habe: ein weibliches Vorbild im Metal. Mit Freddie und Dio hatte ich bereits zwei sehr starke männliche Idole. Dio war für mich wie ein Metal-Papa; ich bewundere ihn zutiefst. Es fehlte mir aber eine weibliche Gegenfigur zu ihm. Und das ist genau das, was ich jetzt anstrebe: Ich möchte die weibliche Version von Dio werden und damit vielleicht auch eine Inspiration für Mädchen und Frauen. 

Es ist nicht meine Absicht, Dio zu kopieren, aber sein Gesang hat mich sehr beeinflusst und inspiriert. Früher habe ich mich immer gefragt: Wenn es einem Mann möglich ist, derart kraftvolle Töne zu erzeugen, warum sollte es mir dann nicht ebenso gelingen? Wenn Männer wie Dio, Freddie, Corey Taylor (Anm.: Slipknot-Sänger) oder Chester Bennington (Anm.: verstorbener Linkin Park-Sänger) so singen können, dann kann ich das genauso gut. Letztendlich nutzen sie dafür nichts, was mir nicht auch zur Verfügung steht. Klar, ich bin nicht sie. Trotzdem erkenne ich einige Gemeinsamkeiten im Gesang: diese Rauheit, ein kraftvolles Belting und viele tiefe Töne. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass meine Stimme ziemlich männlich klingt (lacht).

Als ersten Vorgeschmack auf euer Debütalbum habt ihr uns „S.E.X.“ präsentiert. Gibt es einen besonderen Grund, warum ihr gerade diesen Song als erstes veröffentlicht habt?  

Kris: „S.E.X.“ schreit nach Aufmerksamkeit. Wir wollten durch dieses Stück verdeutlichen, was Befriedigung für jeden von uns bedeutet – vor allem mit dem dazugehörigen Musikvideo. Die Inspiration für meinen Part fand ich in einem bestimmten Film, dessen Namen ich leider vergessen habe. In diesem gab es eine Szene, in der eine Frau von vielen nackten Männern umgeben ist. Der Gedanke, mich selbst in einer solchen Situation wiederzufinden – nicht mit Männern, sondern mit Frauen – hat mich fasziniert.

Die Tatsache, dass du diese Idee für deinen Teil im Video umgesetzt hast, lässt darauf schließen, dass du Frauen als eine Quelle der Befriedigung siehst. 

Kris: Ganz genau. Wie vorhin erwähnt, spiegelt dieses Lied wider, was uns allen Freude bereitet und uns gut fühlen lässt – in meinem Fall sind das eben Frauen. Die Aura und Energie, die wir ausstrahlen, empfinde ich als einzigartig und magisch. Für mich als bisexuelle Person war es eine schöne Erfahrung, von so vielen wundervollen Frauen umgeben zu sein.

Nach welchen Kriterien haben die anderen ihre Szenen gestaltet?

Kris: Roxy (Anm.: Roxana Herrera, Bassistin) hegt eine besondere Liebe zu ihrem Bass und wollte daher einfach nur ihr Instrument spielen und von tanzenden Frauen umgeben sein. Sonia hat sich für ein Auto entschieden, was für ihre persönliche Befriedigung steht. Noelle (Anm.: Noelle dos Anjos, Gitarristin) ist eher romantisch veranlagt und demnach sieht man sie in einem süßen weißen Kleid auf einer roten Couch, umgeben von vielen Teelichtern und Rosenblättern. Hale (Anm.: Hale Naphtha, Schlagzeugerin) hingegen liebt das Feuer. Es gibt ihr Adrenalin und Freude, weshalb sie in ihrer Szene alles in Brand setzt.

Im Vergleich zum energiegeladenen „S.E.X.“ zeigt ihr euch in „Fly Away“ von einer ruhigeren Seite – was kannst du mir über diesen Song erzählen? 

Kris: „Fly Away“ stammt von Sonia. Sie hat es einem Verwandten gewidmet, den sie nie kennengelernt hat. Es drückt daher das Gefühl der Sehnsucht nach jemandem aus, dem man nie wirklich begegnet ist. In „666“ adressieren wir allerdings eine Vielzahl verschiedener Themen. Mal zeigen wir uns von unserer poetischen Seite, mal schreiben wir einen Song („Warrior From Hell“) über eine Gitarre – genauer gesagt, über Sonias Gitarre (lacht). So handelt beispielsweise „You’re A Cheater“ wieder von etwas ganz anderem, nämlich einem meiner Ex-Freunde.

Weiß diese Person, dass ihr dieser Song gewidmet wurde?

Kris: Noch nicht (lacht)!

Was steht für euch als nächstes auf dem Plan?

Kris: Vieles. Wir stecken beispielsweise schon mitten in den Arbeiten an unserem nächsten Album. 

Kannst du uns schon einen kleinen Einblick geben?

Kris: Ich bin so aufgeregt über unser neues Projekt, dass ich am liebsten schon alle Details verraten würde, aber ich muss mich noch ein wenig zurückhalten (lacht). Einen kleinen Hinweis kann ich euch allerdings schon geben: Mit dem nächsten Werk schlagen wir eine aufregende, modernere Richtung ein. 

Aber der Geist der 80er-Jahre bleibt, oder?

Kris: Auf jeden Fall! Ähnlich wie bei vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern legen auch wir großen Wert auf Weiterentwicklung, doch wir bleiben hundertprozentig unserem 80er-Stil treu. Für diejenigen, die „666“ mögen, dürfte die kommende Platte mit Sicherheit äußerst interessant sein.

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