„Es ist der Beginn einer neuen Ära”

Fabienne Erni und Jonas Wolf im Gespräch mit Dark Divas, wie sie Illumishade trotz ihrer Verpflichtungen für Eluveitie zu neuem Leben verholfen haben, wie man aus Band-Turbulenzen gestärkt hervorgeht – und ob die US-Fans in den Genuss von schweizerdeutschen Songs kommen.

Florian Dünser

FLORIAN DÜNSER

16. Feb. 2024

Interview
Illumishade
Fabienne Erni
Image

Fabienne, wie fühlt es sich an, deine Masterarbeit in die Verlängerung zu schicken –  und nun mit deiner Band Illumishade, die aus einem Schulprojekt entsprungen ist, das zweite Album zu veröffentlichen?

Fabienne: Es ist schon etwas verrückt. Ich glaube, wir realisieren das erst seit diesem Jahr wirklich, da wir nun das erste Mal mit Illumishade auch auf Tour waren. Auch wenn wir zuvor schon ein paar Shows gespielt haben, hat das jetzt eine andere Qualität. Und ich kann dir sagen: Es fühlt sich sehr gut an. (lacht)

Als Außenstehender fragt man sich: Wie bekommt ihr zwei Bands unter einen Hut? Zumal eine davon Eluveitie ist – und somit die erfolgreichste Live-Band der Schweiz.

Jonas: Keine Ahnung. (lacht) Das wird lustig werden. 

Fabienne: Dieses Jahr wird es gut zu kombinieren sein, da bei Eluveitie heuer eher Musik schreiben – und bei Illumishade eher Live-Shows angesagt sind. Das ergänzt sich also ganz gut. Danach wird es sicher ein wenig tricky, da auch Eluveitie live wieder aktiver sein wird. Und Illumishade hoffentlich weiterhin auch. Wir müssen dann etwas mehr jonglieren – aber mit einer guten Kommunikation bekommt man das schon hin. Wir sind nicht die Ersten in einer etablierten Band, die eine weitere gründen. Also ich bin positiv gestimmt.

Illumishade, Fabienne Erni

Illumishade

Illumishade sind eine Modern Metal Band aus der Schweiz. Die Band wurde 2019 von Fabienne Erni, die zugleich Frontfrau der Folk Metal Band Eluveiti ist, gegründet.

Mitglieder

Fabienne Erni - Vocals Jonas Wolf - Guitars Mirjam Skal - Orchestration / Synths Yannick Urbanszik - Bass Marc Friedrich - Drums

facebook.com

Apropos Tour: Ihr kommt gerade von eurer Tour mit Delain zurück, im April geht es mit Korpiklaani und Visions of Atlantis nach Nordamerika. Viele Musiker*innen sprechen von einer Hassliebe zum Touren. Wie geht es euch damit? Überwiegt die Vorfreude oder das Bauchweh mit Blick auf April?

Jonas: Das sagen nur die, die alt sind oder Familie haben. (Fabienne lacht) Das trifft beides nicht auf uns zu. Zu 95 Prozent freuen wir uns also immer noch auf Tourneen. 

Fabienne: Und es ist für uns mit Illumishade auch eine andere Art des Tourens. Es ist eine andere Band, es sind andere Fans. Wir sind auch die erste von drei Bands auf der Bühne (Anm.: gemeint ist die erste Support-Band auf Tour) – bei Eluveitie ist es in der Regel umgekehrt. Das sind ganz viele neue Erfahrungen, die wir jetzt sammeln. Ich freue mich jedenfalls sehr auf Amerika. 

Ihr habt auf eurer Tour mit Delain bereits Songs eures neuen Albums live gespielt. Wie waren die Reaktionen der Fans?

Fabienne: Sehr gut. Vor allem bei „Cloudreader” – da bin ich positiv überrascht, wie gut der live ankommt. 

„Another Side of You" ist euer zweites Album. Ihr verfolgt einen, wenn man so will, etwas modernen Ansatz als auf eurem Erstlingswerk. Eine bewusste Entscheidung – oder logische Konsequenz aus den vier Jahren Abstand dazwischen?

Jonas: Ich glaube, man sieht auch innerhalb des Albums die Entwicklung der Band. Es sind Songs drauf, die zu einem Zeitpunkt entstanden sind, an dem wir nicht gewusst haben, ob die je auf einem Album erscheinen oder Standalone-Singles bleiben würden. Auf dem Vinyl-Release sind sogar noch zwei mehr drauf, inklusive deren Ouvertüre. Wir wollten all diesen Songs auch einen physischen Release geben, weil es in unserem Empfinden schade gewesen wäre, wenn gewisse Songs nur online verfügbar gewesen wären. Das Album ist also eine Art Kollektion von „alles geht”.

Wenn man ein Album über einen längeren Zeitraum schreibt, so wie ihr das mit „Another Side of You” gemacht habt: Fällt das Urteil über Songs, die man schon mit etwas zeitlicher Distanz geschrieben hat, heute anders aus – oder findet sich das trotzdem alles stimmig zusammen?

Jonas: Ich finde alles sehr stimmig. Es ist genau das rausgekommen, was wir wollten. Die Idee war nie, ein Konzeptalbum zu machen – weder lyrisch noch musikalisch. „Alles geht” war und ist Programm. Es ist ein Album, auf das alle Bandmitglieder Einfluss hatten. Das war eine bewusste Entscheidung – und das ist auch das Beste daran. Dadurch ist das Album extrem vielfältig geworden. Etwas, das ich bei vielen Bands vermisse. Den Mut, nicht einfach nur ein bestimmtes Genre bedienen zu wollen.

Musikalisch bewegt ihr euch auf ganz anderen Pfaden als mit Eluveitie. Ihr bezeichnet eure Musik selbst als Modern Metal, habt aber auch symphonische, cineastische und auch Pop-Einflüsse. Mancherorts werdet ihr sogar als Musical-Metal beschrieben. Wir müssen nicht in Schubladen denken – aber wie würdet ihr die Besonderheit auf den Punkt bringen, was zeichnet euch aus?

Fabienne: Der kreative Output eint uns. Es finden alle Ideen und die unterschiedlichen Einflüsse der Bandmitglieder Platz. Das schätzen wir alle sehr. 

Bereits auf eurem Erstlingswerk finden sich drei Balladen – und auch auf “Another Side Of You” scheut ihr als Metal-Band etwa mit „Fairytale” oder „Verliebt” nicht davor zurück, sehr ruhige Töne anzustimmen. Fabienne, du hast in einem Interview schon mal verraten, dass du es liebst, Balladen zu singen. Eine rein musikalische Vorliebe – oder habt ihr eine romantische Ader? 

Jonas: Die Songs kommen allesamt von Fabi, das ist ihr Terrain. Aber eigentlich bist du gar nicht wirklich romantisch.

Fabienne: (lacht) Da hast du wohl recht. Es gibt auch das erste Mal Liebeslieder, das hatten wir beim ersten Album nicht. Ich persönlich liebe es einfach, Balladen zu singen. Ja, der Text – damit kann ich dann auch leben. (alle lachen) Ich mag den Part, wenn ich Melodien und Harmonien komponieren kann. Und ich habe das Gefühl, wenn man nicht ein total versierter Pianist ist, dann kommt beim Jammen schneller mal eine Ballade raus, als ein schneller Uptempo-Song. Wir haben allerdings auch ein paar Songs, die im Demo eine Piano-Ballade waren, dann als Band aber anders entwickelt und total umgewandelt wurden. Das ist schon ein spannender Prozess. 

Apropos „Verliebt”: Bekommen eure US-Fans den schweizerdeutschen Song live zu hören?

Jonas: Du meinst den schwedischen Song. (lacht) Die Amis verwechseln die Schweiz ja gerne mit Schweden. Eigentlich sollten wir das machen, das ist eine gute Idee. Dann hast du nämlich den Exoten-Bonus. 

Fabienne: Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass der auf der Setlist Platz findet, da wir ja doch eine sehr begrenzte Zeit auf der Bühne haben. Wenn wir länger spielen könnten, fände ich das aber auch sehr geil, weil er schon heraussticht. Realistischerweise wird man den Song wohl eher weglassen. Aber Jonas, ich bin da offen. (lacht)

Jonas: Vielleicht mal als Special irgendwo.

Die meisten Metal-Bands aus dem deutschsprachigen Raum scheuen davor zurück, in Deutsch zu singen – geschweige denn Dialekt. Ist das der Sorge geschuldet, international andernfalls keine Beachtung geschenkt zu bekommen?

Fabienne: Das ist eine gute Frage. Irgendwie passiert das einfach so. Ich hatte jetzt Bock darauf, in einer anderen Sprache zu singen. Wir haben ja mit Eluveitie schon diesbezügliche Erfahrungen gesammelt. Und es kommt auch einfach gut an. Als ich dieses Feature mit Feuerschwanz gemacht habe, waren die Reaktionen sehr positiv – auch von Amerikanern, die gesagt haben: ‘Ich versteh kein Wort, aber ich find’s geil.’ Ich glaube aber, es hängt auch mit der Frequenz zusammen. Ein paar Songs passen gut. Würde Illumishade aber nur auf deutsch singen, wäre es wohl schwierig. 

Jonas: Ich habe jetzt bei Duolingo angefangen, japanisch zu lernen. Ein Song auf japanisch ist dann mein Ziel. Aber das wird wohl noch dauern. Vielleicht beim zwanzigsten Album.

Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Epica-Keyboarder Coen Janssen zustande?

Fabienne: Wir kennen Epica von unterschiedlichen Shows und Festivals. Jonas hat einen sehr guten Draht zu den Jungs dort. Das ‘Verliebt’-Demo ist schon recht alt, aus dem Jahre 2017. Ich habe den Song der Band vorgespielt und wir haben dann entschieden, dass er auf das Album muss. Wir waren dann allerdings der Meinung, dass es gut wäre, wenn bei dem Song ein ‘richtiger’ Pianist dabei wäre, der dann auch noch seine eigene Note hineinbringt. Dann war es für uns irgendwie klar, dass es Coen sein soll, da wir ihn auch als Musiker sehr schätzen. Und ich finde, er hat den Song nochmal auf ein anderes Level gehievt.  

Wenn man euch beide festnageln würde: was ist denn euer Highlight auf dem neuen Album?

Langes Schweigen

Jonas: Ich habe eine ganz schlechte Verbindung hier. (alle lachen) 

Fabienne: Jaja, Jonas. Bestimmt. (lacht) Aber ich tu mir auch schwer, ein Highlight hervorzuheben.

Jonas: Mein Highlight ist, dass dieses Album so überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. Die Entstehungsgeschichte beinhaltet auch Band-Turbulenzen und Momenten, in denen wir nicht wussten, ob wir das alle hinkriegen. Und wenn man das Vinyl dann in den Händen hält, weil es besonders schön geworden ist, dann ist das schon ein besonderer Moment. Und es wird für uns ein riesiger Boost sein, für das, was kommen wird. Es ist eine Art Beginn einer neuen Ära.

Die Band-Turbulenzen, die du angesprochen hast: wurden diese durch die Pandemie ausgelöst?

Jonas: Ich würde es nicht auf die Pandemie beziehen. Es kam zum einen immer wieder die Frage auf: sind wir ein Neben- oder Studioprojekt, weil Eluveitie ja absolut zurecht ein Commitment verlangt. Und zum anderen waren die Turbulenzen aber auch der individuellen Suche nach dem Platz in der Band geschuldet. Für mich war die letzte Phase im Entstehungsprozess wie ein Moment der Klarheit. Wir haben uns dort als Band gefunden.

Und dein Highlight, Fabienne?

Fabienne: Ich kann das, was Jonas gesagt hat, unterschreiben. Es ist wie ich bereits erwähnt habe: Illumishade fühlt sich jetzt mehr wie eine Band an, weil wir auch live spielen können. Das ist sicher auch ein Highlight, das dieses Album einfach mit sich bringt. Wir können jetzt richtig auf der Bühne Gas geben. Das ist für alle enorm wichtig. 

Fabienne, du bist studierte Musikerin – und die meisten deiner Ex-Kommilitonen an der Zürcher Hochschule der Künste werden eher in der Klassik oder im Jazz zuhause sein. Wurdest du als Frontfrau von zwei Metal-Bands als eine Art “Fremdkörper” wahrgenommen?

Fabienne: Man kann in Zürich Pop studieren. Das ist schon mal eine andere Welt. Aber es ist schon so, dass Metal dort nicht sehr verbreitet ist. Also ich bin dort sicher etwas herausgestochen. Es war eine spezielle Zeit für mich. Ich habe meinen Bachelor abgeschlossen, da war ich schon bei Eluveitie. Ich habe dann noch zwei weitere Jahre studiert, war aber zugleich auf Tour in Amerika, in Australien oder auch in China. Der Schulleiter hat das auch wirklich unterstützt und meinte: ‘Wenn du nicht da bist, dann ist das so – es geht ja letztlich darum, Musik zu machen. Wenn du diese Chance hast, dann geh.’ Und das hat die Dinge für mich natürlich auch einfacher gemacht und es mir überhaupt erst ermöglicht, den Master abzuschließen. Und letztlich auch die Gründung von Illumishade. 

Wie geht es nach der Nordamerika-Tour mit Illumishade weiter. Bleibt Illumishade ein Nebenprojekt – oder seht ihr Potenzial für mehr?

Fabienne: Das wird sich zeigen. Nach der Delain-Tour sind wir alle völlig begeistert und ich glaube schon, dass Illumishade jetzt für alle in der Band einen großen Platz eingenommen hat. Wir spielen live, auch auf Festivals, wir haben im Herbst etwas Cooles anzukündigen, wir sprechen sogar schon vom dritten Album – da werden wir uns im Sommer schon ein wenig herantasten. Ich glaube, es ist noch zu früh zu sagen, ob es ein zweites Standbein wird. Am Besten ist, wir reden in einem Jahr nochmal und schauen dann weiter. (lacht) Es ist aber jedenfalls klar für uns, dass es weitergeht. 

Fabienne, Jonas: Vielen Dank für eure Zeit und alles Gute für den Release von „Another Side of You”. 

Bleibe mit unserem Newsletter auf dem Laufenden

Folge uns auf Instagram