„Es braucht jemanden, der die Vision im Blick behält“

Fabienne Erni, Frontfrau von Eluveitie, im Gespräch mit Dark Divas über das neue Album „Ànv“, ihre Liebe zur keltischen Sprache, den Umgang mit Kritik – und ihre Pläne für ein Solo-Album, das noch in diesem Jahr erscheinen soll.

Florian Dünser

FLORIAN DÜNSER

18. Apr. 2025

Interview
Eluveitie
Fabienne Erni
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Wie fühlt es sich an, nach sechs Jahren mit neuem Album zurückzukommen?

Fabienne Erni: Gute Dinge brauchen Zeit, oder? (lacht) Ich glaube, genau so war es bei uns. Es hat ein paar Umstände in der Band gegeben und manchmal braucht es einfach Zeit, bis man sich wieder findet und kreativ arbeiten kann. Aber ich glaube wirklich, wir kommen nach diesen sechs Jahren mit einem sehr guten Album und guter Musik zurück.

Die ersten Singles sind schon draußen und ihr habt die ersten zwei bereits live gespielt. Wie war das Feedback der Fans?

Fabienne: „Premonition" ist sehr emotional. Am Anfang hatte ich das Gefühl, die Fans kennen ihn noch nicht so, aber mit der Zeit sind sie so richtig in den Song reingekommen. Wir haben den auch bei der Zugabe gespielt, kurz vor „Inis Mona". Das war wirklich ein spezieller Moment.

Und „The Prodigal Ones" – hey, der geht richtig ab live! Wir hatten echt Freude, als wir den das erste Mal gespielt haben, wie die Leute abgegangen sind. Der bleibt bestimmt länger in unserem Set. Da bin ich mir sicher!

Wie fühlt es sich an, Songs live zu spielen, bevor das Album draußen ist? Wie kann man sich diesen Spannungsmoment vorstellen, wenn man in die Gesichter der Fans blickt?

Fabienne: Das ist schon immer ein sehr spezieller Moment. Vor allem jetzt, nach sechs Jahren ohne Album. Klar, wir hatten zwischendurch Songs wie „Aidus" oder „Exile of the Gods" veröffentlicht. Aber ein ganzes Album – das ist nochmal etwas anderes. Live siehst du direkt, wie die Leute reagieren – wie sie es spüren, was die Reaktionen in den Augen sind. Bei den ersten beiden Singles war das Feedback echt super.

Du bist seit neun Jahren bei Eluveitie, „Ànv“ ist dein drittes Album mit der Band. Bist du trotzdem noch nervös vor einem Release?

Fabienne: Das ist schon immer sehr aufregend. Immer wenn man was Neues rausbringt – egal mit welchem Projekt. Und das unabhängig davon, ob es ein Album, ein Song oder ein Cover ist. Und bei Eluveitie nochmal in einem ganz anderen Umfang. Ich bin richtig gespannt!

Ihr beschreibt das neue Album als euer bisher tiefgründigstes. Was bedeutet das für dich persönlich?

Fabienne: Für mich ist vor allem der Titeltrack „Ànv" besonders. Das ist ein Song nur mit meiner Stimme und dem Chor. Dass ich den singen darf, bedeutet mir richtig viel. Ich sehe mich bei Eluveitie oft als Interpretin von Chrigels Vision und auch von Jonas’ Musik – und dass genau dieser Song den Namen des Albums trägt, macht ihn für mich sehr speziell. Ich denke, das Album klingt etwas anders als „Ategnatos“. Sobald jemand Neues musikalisch stärker integriert ist, klingt es anders – und so soll es auch sein. Jonas hat mehr als sonst reingebracht und das hört man. Ich finde das Album megaschön und ich habe sehr viel Freude mit den Songs. Ich hoffe sehr, dass es rüberkommt, was wir mit dem Album ausdrücken wollen. Aber klar: Haters gonna hate.

Hast du in der Vergangenheit denn auch negative Kritik bekommen?

Fabienne: Ja, das ist glaube ich nicht zu vermeiden. Vor allem, als ich in die Band gekommen bin. Wenn man in eine so etablierte Band einsteigt, in der man gewisse Fußabdrücke füllen muss, ist es teilweise schon schwierig. Ich bin allgemein sehr gut aufgenommen worden – aber es gibt natürlich immer wieder mal negative Kommentare. Aber das ist, denke ich, etwas Natürliches, wenn man so exponiert ist. Aber man lernt über die Jahre, wie man damit umgeht. Man kann nicht allen gefallen. Aber zu Beginn war das wirklich schlimm für mich.

Wie läuft der Songwriting-Prozess generell bei euch ab?

Fabienne: Es ist schon ein offener Prozess. Jeder kann seine Ideen einbringen. Aber klar, bei acht Leuten muss das irgendwo zusammenfließen. Da sind Chrigel und Jonas die Köpfe. Es kommen auch Produzenten dazu, das Label – viele Meinungen halt. Deshalb ist es wichtig, dass jemand die Vision im Blick behält.

Unsere neue Geigerin Sophie hat auch viele Ideen reingebracht. Und ich selbst liebe es, Harmonien zu finden oder Melodien leicht anzupassen. So findet jede*r seinen Platz.

Du hast „Ànv" schon live gespielt. Hat sich der Song im Prozess stark verändert?

Fabienne: Ja, total! Wir haben den Song schon vor einem Jahr live gespielt, damals noch nur mit einem Bordunton. Jetzt auf dem Album ist ein ganzer Chor dazugekommen. Die Harmonien hat meine Kollegin Mirjam von Illumishade komponiert. Dadurch hat sich der Song nochmals krass verändert. Er hat ein ganz anderes Gewand bekommen, eigentlich ist es ein neuer Song.

Du bist mit Anfang 20 zu Eluveitie gestoßen und keltische Mythologie und Kultur gehören wahrscheinlich nicht zur Standard-Literatur Schweizer Jugendlicher und junger Erwachsener. Wie hast du dich diesem Thema angenähert?

Fabienne: Ich war immer schon an nordischer Folkmusik interessiert. Ich habe ein Jahr lang in Schweden studiert und dort viel über nordische Kulturen gelernt. Mit den Kelten habe ich mich aber erst richtig beschäftigt, als ich zu Eluveitie kam. Obwohl wir in der Schweiz leben und somit auch einen Bezug zu den Kelten haben, lernt man in der Schule kaum etwas darüber. Zum Glück ist Chrigel ein wandelndes Lexikon – er hat mir sehr gute Bücher empfohlen. Seitdem fasziniert mich das Thema total. Es war eine lange und wichtige Ära, speziell auch in der Schweiz.

Man spürt richtig, dass sich bei dir eine richtige Leidenschaft daraus entwickelt hat.

Fabienne: Ja, absolut. Speziell für die Sprache. Ich singe einfach wirklich sehr gerne in keltisch. Es war recht schwierig, für das erste Konzert mit Eluveitie die alten Songs zu lernen. Daran erinnere ich mich noch sehr genau. Seitdem hat es mir diese Sprache wirklich angetan.

Würdest du dich als spiritueller Mensch bezeichnen?

Fabienne: Ja, auf jeden Fall. Ich setze mich viel mit spirituellen Themen auseinander, damit ich im Hier und Jetzt bin. Es ist alles so schnelllebig geworden, wir vergessen oft zu leben. Ich habe einiges von Eckhart Tolle gelesen. Das hilft mir, bewusster durchs Leben zu gehen.

Du stehst seit einem Jahr gefühlt durchgehend auf der Bühne – im vergangenen Jahr mit Illumishade, kürzlich ging die Tour mit Eluveitie zu Ende, im Herbst steht die nächste große Tournee an. Großartig für die Fans – andererseits aber auch verdammt anstrengend. Wie hältst du für dich selber die Balance in diesem anstrengenden Musiker*innen-Leben?

Fabienne: Ganz ehrlich: Ich bin seit über einem Monat mittlerweile zu Hause – ich wäre schon wieder bereit, auf Tour zu gehen. (lacht) Nach einer intensiven Tour freue ich mich natürlich schon, zuhause zu sein, Musik zu schreiben, Routinen zu haben. Auf Tour vermisse ich genau das. Früh aufstehen, kreativ sein, spazieren gehen – das gibt mir Energie. Auf Tour gehe ich um 2 oder 3 Uhr nachts schlafen – da braucht es Zeit, wieder in seinen regulären Rhythmus zurückzufinden. Aber jetzt haben wir ja fast ein halbes Jahr Pause. Ich arbeite derzeit an ein paar unterschiedlichen Sachen und ich möchte gerne ein Solo-Album machen. Ich liebe diese Abwechslung.

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Eluveitie

Eluveitie ist eine schweizerische Folk-Metal-Band, 2002 gegründet. Ursprünglich als Studio-Projekt von Chrigel Glanzmann ins Leben gerufen, entwickelte sich Eluveitie zu einer einflussreichen Größe im Folk Metal. Ihre Musik kombiniert Melodien keltischer Folklore mit Metal-Elementen. Mit Alben wie „Slania" und „Helvetios" erlangten sie internationale Anerkennung. Die Band, bekannt für ihre Vielseitigkeit durch den Einsatz von traditionellen Instrumenten wie Drehleier und Flöten, hat mehrere Besetzungswechsel erlebt, bleibt aber eine feste Größe in der Folk-Metal-Szene.

Mitglieder

Christian Glanzmann - Vocals, Mondola, Tin Whistle, Low Whistle, Pipes, Bodhran, Harve, Guitar Fabienne Erni - Vocals Alain Ackermann - Drums Rafael Salzmann - Guitar Jonas Wolf - Guitar Kay Brem - Bass Matteo Sisti - Tin & Low Whistles, Bagpipes Lea-Sophie Fischer - Violine

Die nächsten sechs Monate sind also für das Songwriting für Illumishade reserviert?

Fabienne: Einerseits für Illumishade, andererseits für mein Solo-Projekt. Ich habe bereits ein paar Songs, die am Entstehen sind. Ich würde mein Solo-Album gerne Ende des Jahres releasen. Das heißt: Ich muss Gas geben! Und dann ist da noch ein Studio-Projekt mit dem Gitarristen von Infected Rain. Es läuft megaviel.   

Hast du vor, auf deinem Solo-Album musikalisch andere Wege zu beschreiten?

Fabienne: Ich bin gerade am Ausprobieren, was ich genau möchte! Es wird auf jeden Fall Metal bleiben, aber ich möchte irgendwie Folk und Fantasy zusammenbringen – eigentlich eine Kombination von Eluveitie und Illumishade.

Du bist seit bald zehn Jahren im Metal-Business, in einer nach wie vor stark männerdominierten Welt unterwegs. Wie siehst du deinen Weg als Frau in dieser Welt – spürst du eine Entwicklung innerhalb der Szene?

Fabienne: Ich konnte in den vergangenen Jahren vor allem sehr viele Frauen in der Szene kennenlernen – sei es auf Tour, auf Festivals oder auf Social Media. Der Support innerhalb der Frauen-Szene im Metal ist megaschön. Das ist auch stärker geworden, letztlich natürlich auch, weil es mehr Frauen im Metal gibt. Ich persönlich hatte immer Glück und habe sehr gute Erfahrungen gemacht. Aber ich sehe natürlich auch, dass es in anderen Positionen, etwa in der Crew, schwierig sein kann. Aber die Entwicklung ist da. Ich fände es schön, wenn es auch im Tour-Bus eine Balance geben würde – nicht nur 1-2 Frauen und 20 Männer.

Vielen Dank für das Gespräch, Fabienne!

Tracklist

1. Emerge 1:10
2. Taranoías 3:26
3. The Prodigal Ones 3:44
4. Ànv 2:33
5. Premonition 5:12
6. Awen 4:22
7. Anamcara 1:37
8. The Harvest 3:38
9. Memories of Innocence 2:24
10. All Is One 3:41
11. Aeon of the Crescent Moon 4:21
12. The Prophecy 5:11
13. Epona 3:57
14. Venez Danser 4:02
15. Exile of the Gods 4:08
16. Aidvs 5:32

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