Golgotha – Mors Diligentis

Fans von Tristania oder Draconian wird „Mors Diligentis“ gefallen, und auch Freund:innen extremerer Metal-Gangarten können einen Lauscher riskieren.

4.0

20. Okt. 2022

Review
Miriam Vallés
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Ist man gewillt, sich auf die bedrückende Stimmung einzulassen und in einen Strudel der Finsternis einzutauchen, so macht man mit dem neuen Golgotha-Album absolut nichts verkehrt. Belohnt wird man vielleicht nicht mit einem Album, welches das Rad neu erfindet, dafür aber mit einer stimmigen Atmosphäre, ansprechenden Gitarrenmelodien und tollen Gutturals aufwarten kann.

Zu regnerischem Wetter und herbstlichen Temperaturen passen bekanntlich ein gutes Buch, eine Tasse Kakao, eine Decke (eine aufgedrehte Heizung anno 2022 ja eher weniger) und – Doom Metal. Wer mit diesem Subgenre, das die Weltuntergangsstimmung bereits im Namen trägt, etwas anfangen kann, der findet in den tristen Klängen eine musikalische Begleitung für graue, wolkenverhangene Tage. Da kommt das neue Album „Mors Diligentis“ der spanischen Death Doom Metaller:innen Golgotha gerade recht. Die Anfang der 1990er Jahre gegründete Band, die ironischerweise aus dem sonnigen Palma de Mallorca stammt, hat jüngst einen Wechsel am Mikro hinter sich: nachdem Sänger Amón die Formation aus persönlichen Gründen verlassen musste, rekrutierten Golgotha mit Mariá J. Lladó (Klargesang) und Miriam Vallés (Gutturals) gleich zwei neue Vokalistinnen. Beide geben auf dem fünften Studioalbum ihr Debüt als Golgotha-Frontfrauen, und das Ergebnis kann sich hören lassen.

Schwer und wolkenverhangen

Bereits im Opener „My burden“ wird die dunkle Wolke spürbar, die sich in Form von ebenso langsamen wie druckvollen Gitarrenwänden und einem Monster von Bass über die Hörer:innen schiebt. Der deprimiert-lethargische Gesang von Mariá tut sein Übriges dazu, bevor sich in Miriams wütend tobenden Growls das akustische Gewitter entlädt. Im nachfolgenden „Our trust betrayed“ zeigen Golgotha, dass sie auch etwas schnellere und eingängigere Stücke beherrschen, ohne die düstere Atmosphäre, die sie mit dem Opener aufgebaut haben, gleich wieder zu kompromittieren. Rätsel gibt die eingespielte Sprechpassage auf, die „Farewell Humanity“ vorausgeht und sich wohl irgendwo zwischen Science Fiction und Katastrophenmeldung im Radio verorten lässt. Die folgenden Gutturals machen unmissverständlich klar, dass das „Death“ in „Death Doom“ bei Golgotha groß geschrieben wird.

Es muss an dieser Stelle einfach mal gesagt werden: die Growls von Miriam Vallés sind zum Niederknien. Nicht nur, dass sie zeitweise wie Angela Gossow klingt („Viper Tongue“) – in einzelnen Tracks gesellen sich melodische Gitarrenriffs dazu, die stark an Arch Enemy erinnern, so etwa in „Waiting for my Death“.

Die gelegentlichen Ausflüge in härtere Gefilde tun „Mors Diligentis“ gut, damit die Schwermut des Albums nicht zur Eintönigkeit gerät. Und auch wenn eines der Stücke den etwas schwülstigen Titel „Unconditional love“ trägt, ist die Angst, das Ganze könne ins Kitschige abdriften, unbegründet. Eingeleitet von schönen Piano-Klängen, trägt Mariá J. Llado Lyrics vor, die auch von den Genre-Geschwistern Draconian stammen könnten: You’re a star that died / We’ll forever shine.

In der zweiten Hälfte des Songs werden die obligatorischen Growls mit symphonischen Streichern kontrastiert. Die wenigen Experimente, auf die Golgotha zurückgreifen, setzen sie gezielt und in nicht zu überbordender Dosis ein. „Alone in the Dark“ setzt auf einen weiteren gutturalen Wutausbruch und kurzzeitig auf Orgelklänge, und „Viper Tongue“ wirkt wie eine Verbeugung vor den erwähnten Arch Enemy oder zumindest wie ein Hinweis darauf, dass die Melodic Death Veteran:innen für Golgotha eine Inspirationsquelle gewesen sein könnten.

Der abschließende Track „We the Demons“ schraubt mit einem gregorianisch anmutenden Chor und einer Miriam Vallés, die sich wie ein wahrer Dämon die Seele aus dem Leib schreit, die Dramatik etwas nach oben, begeht aber nicht den Schnitzer, mit einem besonders epischen letzten Song noch einmal alles herausreißen zu wollen. Wenn man wie Golgotha ein Album erschaffen hat, das sein musikalisches Niveau konstant aufrechterhält, dann hat man das auch einfach nicht nötig.

Geschmacksfrage

Letztendlich ist es in der Musik immer auch eine Geschmacksfrage; für den Doom Metal gilt dies vermutlich ganz besonders. Ist man gewillt, sich auf die bedrückende Stimmung einzulassen und in einen Strudel der Finsternis einzutauchen, so macht man mit dem neuen Golgotha-Album absolut nichts verkehrt. Fans von Tristania oder Draconian wird „Mors Diligentis“ gefallen, und auch Freund:innen extremerer Metal-Gangarten können einen Lauscher riskieren. Belohnt wird man vielleicht nicht mit einem Album, welches das Rad neu erfindet, dafür aber mit einer stimmigen Atmosphäre, ansprechenden Gitarrenmelodien und tollen Gutturals aufwarten kann.

Tracklist

Tracklist

01. My Burden
02. Our Trust Betrayed
03. Farewell Humanity
04. Waiting For My Death
05. Unconditional Love
06. Alone in the Dark
07. Viper Tongue
08. We the Demons

VÖ: 25. Oktober 2022

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