Dreamyth – Aletheia

Insgesamt ist Dreamyth ein ansprechendes Debütalbum gelungen, das neben seiner Heaviness und einem Sound, bei dem ein Rädchen ins andere greift, mit einem interessanten Konzept punkten kann. „Aletheia“ setzt vor allem auf schnelle, eingängige Songs, die mit harter Gitarrenarbeit brillieren, zugleich aber so hymnisch gehalten sind, dass sowohl Fans modernen Metals als auch die Power Metal Fraktion auf ihre Kosten kommen.

4.0

10. Apr. 2023

Review
Andrea Carrero
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Antike Mythen und Legenden erfreuen sich in der heutigen Popkultur großer Beliebtheit. Man nehme nur einmal die Bestsellerlisten der letzten Jahre als Beispiel, auf denen sich Neuauflagen zahlreicher mythologischer Stoffe in Romanform tummeln. Oft handelt es sich dabei um die Geschichten weiblicher Figuren wie Circe oder Medusa, die von den Autor:innen eine ebenso feministische wie mainstream-taugliche Neuinterpretation erfahren.

Der Erfolg dieser Geschichten zeigt, dass alte Mythen in modernem Gewand durchaus funktionieren und dem Zeitgeist entsprechen. Doch lässt sich das auch in einer auditiven Kunstform wie der Musik umsetzen, etwa mit E-Gitarren und Synthesizern? Die spanische Melodic Power Metal Band Dreamyth wagt den Versuch und verbindet auf „Aletheia“ mythologisch inspirierte Texte mit harten Klängen.

2020 von Komponist und Gitarrist Adrián Carrero und Drummer David Macarrilla gegründet und später von Sängerin Andrea Carrero, Keyboarder Paolo Andreotti und Sänger Dani González komplettiert, veröffentlichen Dreamyth am 14. April ihr Debütalbum und greifen mit der thematischen Ausrichtung ihres Erstlings direkt nach den Sternen. In der griechischen Mythologie ist Aletheia die Göttin der Wahrheit, im Kosmos von Dreamyth ist es eine eigene Welt mit Mythen und Legenden, die der Fantasie der Band entspringt. Dazu gehört, dass sich jedes Bandmitglied als eine Gottheit dieser neuen Welt inszeniert - mehr dazu in ihren jeweiligen Social Media Accounts. Ob diese Vorgehensweise mutig oder sogar ein wenig größenwahnsinnig ist, liegt im Ermessen der Hörer:innen. Zweifellos jedoch verdient die Ausarbeitung einer eigenen fiktiven Welt immer Anerkennung, insbesondere, wenn es sich um das Debüt des Künstlers oder in diesem Fall der Künstler:innen handelt. Welchen Gesamteindruck hinterlassen nun aber die Songs und das Album als Ganzes?

Nach dem Opening Track „Creatio Ex Nihilo“ servieren Dreamyth mit „Odyssey“ sofort einen Brecher, der die Zuhörenden förmlich ins bandeigene Universum katapultiert. Wer sich beim Namen des Songs an Homers Odyssee erinnert fühlt, liegt nicht falsch, denn neben dem Albumtitel basieren auch viele der Mythen, die sich um die Welt Aletheia ranken, auf Elementen der griechischen Mythologie. Der Titeltrack ist ein Power Metal Stück mit epischen Gesängen und prominenter Unterstützung durch Herbie Langhans, bekannt für sein Engagement bei Firewind und Avantasia. „In This Nightmare“ bedient sich der Sage um die schlangenköpfige Medusa, die andere mit ihrem Blick zu Stein werden lässt. Andrea, die den Part der Erdgöttin innehat, wird als Hexe inszeniert. Dieses Narrativ wird im Track „The Curse of the Erinyes“ weitergesponnen, in dem sie die drei Furien oder Erinnyen verkörpert. Im Mythos fungieren die Erinnyen als Instanz zur Aufrechterhaltung der natürlichen Ordnung und bei Verstoß gegen diese zur Bestrafung. Auf musikalischer Ebene glänzt der Song mit seiner Heaviness, einem Gitarrensolo und EDM-Einflüssen.

In den meisten Tracks wechselt sich Klargesang mit Screaming oder Growling ab. Dieses Konzept ist nicht neu, funktioniert aber, da die Gutturals gefallen und es sich in das musikalische Gesamtbild einfügt.

Nach dem treibenden „Dreamland“, in dem Ralf Scheepers einen Gastauftritt hat, ist die zweite Hälfte des Albums eher balladesk geprägt. Hervorzuheben ist „Firelove“, mit siebeneinhalb Minuten der längste Track auf „Aletheia“. Der bewegende Song arbeitet ausschließlich mit Klargesang von Sänger Dani G. und zeigt das Talent, das in den Musiker:innen steckt. Er befasst sich mit dem Tod von Adriáns Großvater und verarbeitet zugleich den Mythos, demzufolge die Sterne die Ahnen der Lebenden seien, welche die Menschen vom Himmel aus beobachten. Hier zeigt sich, dass bei Dreamyth neben Mythologie auch persönliche Erfahrungen eine Rolle spielen und dass sie beides auf stimmige Art und Weise miteinander zu verzahnen wissen. In „Fairytale“ und „My delight“ geht es um die eigenen Dämonen, und „Down to the Moon“ bildet das epische Finale, in dem sich Andrea und Dani G. ein wahres Gesangs-Battle liefern.

Nach dem Outro „In Aeternum“ folgt mit „Cuento de Hadas“ noch ein Bonus Track. Die spanische Variante von „Fairytale“ ist eine besondere Empfehlung, denn sie zeigt, wie wunderbar Dreamyths Musik mit dieser Sprache harmoniert und wie gut Andreas Stimme auf Spanisch zur Geltung kommt. „Cuento de Hadas“ lässt für die Zukunft auf mehr Dreamyth-Songs in ihrer Muttersprache hoffen.

Insgesamt ist Dreamyth ein ansprechendes Debütalbum gelungen, das neben seiner Heaviness und einem Sound, bei dem ein Rädchen ins andere greift, mit einem interessanten Konzept punkten kann. „Aletheia“ setzt vor allem auf schnelle, eingängige Songs, die mit harter Gitarrenarbeit brillieren, zugleich aber so hymnisch gehalten sind, dass sowohl Fans modernen Metals als auch die Power Metal Fraktion auf ihre Kosten kommen. Die ruhigeren Tracks sorgen für ausreichende Abwechslung. In jedem Fall macht das Album neugierig auf das, was die Spanier:innen in den nächsten Jahren wohl noch auf die Beine stellen werden.

Tracklist

1. Creatio Ex Nihilo (Intro)
2. Odyssey
3. Aletheia
4. In this Nightmare
5. The Curse of the Erinyes
6. Dreamland
7. Firelove
8. Fairytale
9. My Delight
10. Down to the Moon
11. In Aeternum (Outro)
12. Cuento de Hadas (Bonus track)

Release: 14. April 2023

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