Nightwish – Human. :||: Nature

Nightwish stellen einmal mehr unter Beweis: So geht Symphonic Metal. Epische Meisterwerke ohne Spur von peinlichem Beigeschmack. Floor & Band sind angekommen. Ein beeindruckendes Album.

5.0
Florian Dünser

FLORIAN DÜNSER

15. Juni 2020

Review
Nightwish
Floor Jansen
Image

Zugegeben: Es fällt mir schwer, mich einem Album von Nightwish objektiv zu nähern. Es waren die Finnen, die mich vor nunmehr mehr als 20 Jahren in die Metal-Welt eingeführt haben – und mich auch heute noch mit nahezu jedem Song zu verzaubern wissen. Ich halte Tuomas für einen der begnadetsten Songwriter in und außerhalb des Genres – und Floor ist mit Talent gesegnet, das mit den Mächten dieser Welt nicht zu erklären ist. Mit dieser ehrlichen und, – zugegeben – etwas peinlichen Fan-Boy-Offenbarung, habe ich freilich jeglichen Anspruch, hier ein objektives Review abzuliefern, verspielt. Aber seien wir uns ehrlich: Wer Human. :|: Nature nicht als Meisterwerk einordnet, hat von Musik keine Ahnung.

Zusammen, was zusammen gehört

Nightwish sind zweifelsohne die Könige des Symphonic Metal. Ein Genre, das von dem einen oder anderen antiquierten Metal-Fan immer noch belächelt wird – doch musikalisch eine beeindruckende Vielfalt und Mut offenbart. Klar: Etwas Epos und vielleicht sogar Kitsch gehören zu Symphonic Metal wie das sprichwörtliche Amen zum Gebet. Dass dieser Spagat gelingen kann, ohne mit dem Grenzbeamten von Peinlichhausen auf Du zu sein, beweisen Nightwish seit nunmehr 23 Jahren.

Nach Jahren der Unruhe hat 2013 zusammengefunden, was zusammengehört. Die nunmehrige Besetzung scheint nicht nur nach außen unglaublich gut zu harmonieren, sondern greift auch musikalisch nochmal nach einem neuen Level. Während man auf Endless Forms Most Beautiful noch auf der Suche nach dem neuen, gemeinsamen Weg mit Floor war, ist Nightwish mit Human. :|: Nature nun am Ziel angekommen.

Ein Album für Musik-Enthusiasten

Human. :|: Nature ist komplex, kein unterhaltsamer Einheitsbrei, bei dem man, weil alles so vertraut vorkommt, de facto von Takt 1 weg zum Mitsingen animiert wird. Zu dicht drängen sind künstlerischer Anspruch und musikalische Qualität. Songs wie Pan, Shoemaker oder Procession sind keine Nummern, für die – wie bei manch anderen Bands – ein gewisser Promille-Spiegel vernünftige Voraussetzung für das Hörerlebnis ist. Human Nature ist vielmehr ein Album für Musik-Enthusiasten. Es hat Tiefgang und schreit förmlich danach, sich umfassend damit zu beschäftigen. Und das bereits beim Opener. Music heißt ebendieser Song, der die Gangart des Albums vorgibt. Sphärisch und entdeckerisch wird der Zuhörer in das Album, das sich ganz der Errungenschaften des Menschen widmet, eingeführt. Ein dreiminütiger Aufbau, der mit dem Einsetzen von Floor in ein beeindruckendes musikalisches Erlebnis entführt. Ein Abenteuer, das sich bis zum schwermütigen Album-Finale – Endlessness – wie ein roter Faden durchzieht. Ein Song, der so düster anmutet, dass man geneigt ist, eine musikalische Brücke zu Paradise Lost zu schlagen.

Ein Album, zwei Werke

Ebendiese Brücke ist, so schnell sie errichtet wurde, mit Album 2 auch wieder abgebaut. Es handelt sich um eine achteilige Suite, die wie ein Filmspektakel anmutet – und die Kompositionsqualitäten von Tuomas eindrucksvoll unter Beweis stellt. Laut Presseinfo ist "All the Works of Nature Which Adorn the World" eine fimografische Symphonie, die die Naturdokumentationen von Sir David Attenborough zur Basis hatte. Die Zweiteilung des Albums ergibt aufgrund der unterschiedlichen Zugänge also durchaus Sinn – macht es zugleich aber schwierig, Human. :|: Nature als ein stimmiges Ganzes zu betrachten. Vielmehr handelt es sich um zwei in sich geschlossene Werke, die auch beim zweiten Hören nur schwer zueinander finden wollen. Der hohen Qualität beider Scheiben tut dieser Umstand freilich keinen Abbruch.

Nightwish stellen einmal mehr unter Beweis: So geht Symphonic Metal. Epische Meisterwerke ohne Spur von peinlichem Beigeschmack. Floor & Band haben ihren künstlerischen Zenit erreicht. Ein beeindruckendes Album wurde geschaffen.

Tracklist

Disc 1

1 – Music 7:23
2 – Noise 5:40
3 – Shoemaker 5:19
4 – Harvest 5:13
5 – Pan 5:18
6 – How’s The Heart? 5:02
7 – Procession 5:31
8 – Tribal 3:56
9 – Endlessness 7:12
10 – All the Works of Nature Which Adorn the World

Disc 2

I. Vista – 4:00
II. The Blue – 3:36
III. The Green – 4:42
IV. Moors – 4:44
V. Aurorae – 2:08
VI. Quiet as the Snow – 4:05
VII. Anthropocene – 3:06
VIII. Ad Astra – 4:42

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