„Wenn andere versuchen, dich runterzuziehen, dann wollen sie dich kontrollieren!“

Am 22. Oktober erscheint das Debütalbum von Catalyst Crime. Wir sprachen mit Frontfrau Zoë Marie Federoff über dessen Entstehung, entscheidende Momente im Leben und Ratschläge für Frauen im Metal.

23. Sept. 2021

Interview
Zoë M. Federoff
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Danke, dass du dir die Zeit nimmst, um ein paar Fragen zu beantworten. Du bist Sängerin bei Catalyst Crime, ihr veröffentlicht im Oktober euer Debütalbum und vorher droppt ihr das Musikvideo zu „Condemn me to Chaos“. Wie fühlt sich das alles für dich an?

Zoë: Es ist im Moment noch irgendwie surreal, dass wir jetzt endlich Musik haben, die wir mit anderen teilen können. Wir haben diese ganze Pandemie abgewartet, die einfach ewig zu dauern schien. Das Album ist fast zwei Jahre fertig und es ist verrückt, dass es endlich das Licht der Welt erblicken darf. Es ist, als wäre ich zwei Jahre schwanger gewesen (lacht).

Was ist mit deinen Bandkolleg*innen? Sind alle glücklich über das Endergebnis, über das, was ihr mit der Welt teilen wollt?

Zoë: Alle sind in einer so guten Stimmung, vor allem, weil wir endlich einen Song haben, den wir herausbringen. Wir können aufhören, über die Musik zu reden, und die Leute sie einfach hören lassen. Also ja, alle sind super gelaunt!

Lass uns ein wenig über das Songwriting und den Aufnahmeprozess reden. Ist alles gut verlaufen oder gab es Schwierigkeiten?

Zoë: Eigentlich hat alles sehr gut geklappt, weil wir das Album Ende 2019 aufgenommen haben, also kurz bevor der ganze Mist losging. Ich bin nach Deutschland gegangen, um in Stuttgart gemeinsam mit Alex Krull aufzunehmen. Gerrit ist für die Drums dazugekommen, die Gitarren haben wir in Kanada und Australien aufgenommen, also auf der anderen Seite der Welt, die Bassspuren wiederum in den USA. Am Ende wurden für das Mixing und Mastering alle Aufnahmen nach Deutschland geschickt, und es hat eigentlich alles gut geklappt.

Man könnte sagen, dass ihr ziemliches Glück hattet. Ein paar Monate später wäre es ja quasi unmöglich gewesen, nach Deutschland zu kommen.

Zoë: Ja. Ich denke, wir haben alles sehr gut getimet, ohne es überhaupt zu merken. Natürlich bedeutete das auch, dass die Pandemie begann, sobald das Album im Kasten war. Also mussten wir darauf warten, dass alles wieder losging, und es ist ja immer noch nicht alles perfekt - aber es ist schön, dass ein bisschen Normalität zurückkommt.

Das klingt alles sehr harmonisch. Gab es nie Streit?

Zoë: Ich kann mich sehr glücklich schätzen, denn obwohl die Leute, mit denen ich arbeite, allesamt sehr temperamentvolle Menschen sind, wollen sie am Ende des Tages alle das Gleiche wie ich: sie wollen gut klingen, sie wollen, dass alles reibungslos abläuft. Das ist einfach fantastisch, denn ich mag es nicht, gestresst zu sein (lacht). Die meiste Zeit über verstehen sich eigentlich alle ganz gut. Natürlich wird es immer kleine Meinungsverschiedenheiten geben - was, wenn wir diesen oder jenen Sound verändern? Es ist wie eine Beziehung. Aber eben nicht mit nur einer, sondern mit fünf Personen. Man muss also in der Lage sein, sehr gut zu kommunizieren. Schlechte Kommunikation ruiniert eine Band, eine Familie, eine Beziehung. Daher steht das bei uns besonders im Fokus.

Vor allem, wenn man bedenkt, dass euer Bassist dein Vater Matt ist. Ist es immer euer Plan gewesen, gemeinsam Musik zu machen?

Zoë: Eigentlich war es nie der Plan, auch wenn ich meinem Dad viel verdanke. Mein Dad war derjenige, der mir Heavy Metal nähergebracht hat, als ich noch ein Kind war. Er nahm mich, als ich zwölf Jahre alt war, auf Konzerte von Iron Maiden, Rush und anderen Bands mit. Als ich dann mein Metal-Subgenre mit Nightwish, Within Temptation und anderen gefunden hatte, hat er mich auch zu ihren Konzerten mitgenommen. Er war ein toller Dad, aber wir haben nie geplant, zusammenzuarbeiten. Als unser ursprünglicher Bassist Jacob aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste, hatten wir nur noch einen Monat, bis wir ins Studio gehen wollten, um das Album aufzunehmen. Ich war in Panik, weil ich nicht wusste, wo ich auf die letzte Minuten einen Bassisten finden sollte. Dann fiel mir mein Dad ein. Also habe ich ihn gefragt und zum Glück hatte er Zeit. Er ist ein exzellenter Bassist, also gab es keine Probleme. Als er mit seinen Aufnahmen fertig war, meinte er: wisst ihr was, ich habe im Moment viel Freizeit. Ich würde gerne weiter mit euch zusammen spielen, und ich sagte: klar! Das einzig Seltsame daran ist, dass zum ersten Mal in meinem Leben ich die Kontrolle habe und nicht mein Dad.

Du bist der Boss.

Zoë: Ja, und das ist etwas seltsam, aber er ist ein wirklich guter Angestellter (lacht).

Lass uns ein wenig über die Songs auf dem Album reden. Da es musikalisch gesehen Einflüsse verschiedener Spielarten des Metal gibt - was sind deiner Meinung nach die wichtigsten, wiederkehrenden Themen des Albums? Gibt es eine besondere Message, die ihr als Band transportieren wollt?

Zoë: Ich möchte bei der Frage, worum es für mich persönlich auf dem Album geht, nicht zu sehr in die Details gehen, weil ich es sehr wichtig finde, dass die Leute es vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen interpretieren. Ich kann aber dazu sagen, dass eine der größten Fragen des Albums ist: wenn dir etwas Unvorhergesehenes und wirklich Schreckliches passiert, was macht das mit dir? Wirst du dadurch zu einem besseren oder zu einem schlechteren Menschen? Wirst du selbstbezogener oder selbstloser? Das ist eine große Frage, mit der sich jeder an irgendeinem Punkt auseinandersetzen muss. An irgendeinem Punkt erleben wir alle einen furchtbaren Verlust, eine furchtbare Situation, einen entscheidenden Moment, der uns zum Besseren oder zum Schlechteren verändert.

Einer der Songs, „Cognitive Dissonance“, ist ein Feature mit einem sehr interessanten Gast: Jake E., bekannt als ehemaliger Sänger von Amaranthe. Wie kam es zu dieser Kollaboration?

Zoë: Ich kannte Jake nicht persönlich, auch wenn ich natürlich immer ein großer Fan war. Unser Keyboarder Jonah schrieb die Orchestrierung für Jakes neue Band Cyhra. Die beiden waren also bereits sehr gute Freunde und Jonah war derjenige, der die Kollaboration arrangierte. Ich bin sehr glücklich über das, was dabei herausgekommen ist. Es gibt immer diese Schlagzeilen darüber, dass dieser und jener Musiker einen Streit haben, ein anderer etwas Schreckliches getan hat oder aus einer Band geworfen wurde. Die Wahrheit ist: Die meisten Musiker*innen in diesem Genre sind nette, hilfsbereite Menschen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern.

Wegen der Pandemie ist es schwierig geworden, zu touren und die Menschen live an der eigenen Musik teilhaben zu lassen. Habt ihr andere Wege, um eine Verbindung zu euren Fans herzustellen, zum Beispiel über die sozialen Medien?

Zoë: Ich glaube, im Moment muss man mehr als je zuvor auf Social Media und Online-Plattformen zurückgreifen, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Das ist frustrierend, denn jede Musikerin bzw. jeder Musiker auf der Welt wartet darauf, auf Tour gehen zu können! Wenn das wieder möglich ist, werden alle auf einmal losstürmen, und das wird absolut verrückt. Aber jetzt in der Zwischenzeit läuft das Ganze tatsächlich online ab, was nicht das Gleiche ist. Ich habe einige wirklich tolle Konzerte in Form von Livestreams gesehen, die super produziert und umgesetzt waren, aber es wird einfach nie dasselbe sein wie auf ein Konzert zu gehen, den Schweiß zu riechen und all die Leute um dich herum zu hören. Diese Erfahrung können wir online nach wie vor wederreproduzieren, noch können wir ein gleichwertiges Pendant dazu schaffen. Das ist enttäuschend, aber wir machen alle das Beste daraus.

Wir haben jetzt ziemlich lange über Catalyst Crime und über euer Debüt geredet. Nun würde ich gerne noch ein paar Dinge über dich wissen. Wie du wahrscheinich weißt, schreibe ich für ein Magazin namens Dark Divas. Unser Hauptanliegen ist es, Frauen im Metal dabei zu helfen, die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen, die sie verdienen, da Metal ja immer noch sehr männlich dominiert ist. Du bist bereits eine erfahrene Musikerin: du singst bei Catalyst Crime, warst früher die Sängerin der Band Insatia und bist außerdem Vocal Coach. Hast du im Musikbusiness oder speziell in der Metal-Szene schon einmal Sexismus erlebt?

Zoë: Ich glaube, es gibt leider keine Musikerin, die diese Frage mit Nein beantworten kann; also ja. Absolut ja. Es passiert regelmäßig, und ich denke, viele Musikerinnen sind, was das angeht, mit der Zeit abgestumpft, weil wir mittlerweile so daran gewöhnt sind, dass wir es gar nicht mehr merken. Oder wir machen keine große Sache daraus, weil es für uns einfach zum Alltag gehört, was wirklich traurig ist. Mein jüngstes Beispiel ist, dass ich vor kurzem in einem Interview gefragt wurde, was ich denn tun würde, um zwischen den anderen Frauen im Metal herauszustechen.

Wie bitte?

Zoë: Ja! Ich dachte: würdest du einen Mann fragen, was er tut, um zwischen anderen Männern herauszustechen? Diese Frage würde umgedreht seltsam klingen. Es ist eine dumme Frage, und sie ist genauso dumm, wenn du sie einer Frau stellst. Kein Disrespect an den Interviewer, aber diese Frage ist Teil des Problems. Frauen sind nicht hier, um zwischen anderen Frauen hervorzustechen. Wir sind keine Neuheit. Wir sind kein Aushängeschild mehr, wir sind Musikerinnen. Wir sind hier, um Musik zu machen, und es ist höchste Zeit, dass wir als das angesehen werden, was wir sind. Dass unser Wert als Musikerinnen anerkannt wird, und nicht als etwas „anderes“, etwas, das „glitzert“.

Was auch der Grund ist, warum wir die Kategorisierung „Female Fronted Metal“ endlich loswerden wollen.

Zoë: Ich habe kein Problem damit, wenn die Band ihn in Kombination mit anderen Begriffen als Beschreibung verwendet, zum Beispiel „Female Fronted Progressive Death Metal“. Das sagt mir etwas mehr über die Band, ganz nach dem Motto: okay, ihr seid Female Fronted, aber viel wichtiger ist, dass ihr Progressive Death Metal spielt. Wenn es aber heißt „Wir sind einfach nur Female Fronted Metal“, dann sagt mir das überhaupt nichts. Das bedeutet nur, in eurer Band singt eine Frau - aber was macht sie?

Was ist dein wichtigster Ratschlag für junge Frauen, die eine Metalband gründen wollen oder Probleme haben, im Business ernstgenommen zu werden?

Zoë: Ich bin in der Szene noch relativ jung. Es gibt Frauen, die schon sehr viel länger in dieser Industrie sind als ich. Deswegen bin ich vielleicht nicht die weiseste Person, um jemandem einen Ratschlag zu geben, aber es gibt etwas, das ich gelernt habe - und ich denke, alle Frauen sollten das wissen, nicht nur Frauen im Metal: Wenn andere versuchen, dich runterzuziehen, wenn sie erreichen wollen, dass du dich wegen irgendetwas schlecht oder unsicher fühlst, dann, weil sie dich kontrollieren wollen. Und die einzige Art und Weise, wie sie das schaffen können, ist, dich dazu zu bringen, dass du dich schlecht oder schwach fühlst. Wenn andere dich also runterziehen oder dir ein schlechtes Gefühl geben, musst du erkennen, dass sie dich kontrollieren wollen, und es zurückweisen. Du musst realisieren: Hey, ich habe die Kontrolle über mich selbst und darf nicht zulassen, dass andere mir ein schlechtes Gefühl geben. Das ist ein Versuch, mich zu kontrollieren, und ich muss ihn schnell als solchen erkennen.

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